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18.12.2019 -

Kultur- und Kreativwirtschaft… im Saarland: eine gute Ausbildungssituation Interview mit Lars Potyka, Projektleiter von Dock 11 - Promoting Creative Industries Saarland (ein Projekt von saaris - saarland.innovation&standort e.V.)

Einleitung

  • 18.12.2019

Darüber, was mit Kultur- und Kreativwirtschaft gemeint ist, besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit. Dabei gibt es landauf, landab ganz unterschiedliche Standortbedingungen, die für eine jeweils besondere Ausprägung der Kreativszene sorgen.

Herr Potyka, die Kultur- und Kreativwirtschaft im Saarland: Wen oder was muss man sich darunter vorstellen?
Lars Potyka: Die Kreativbranche ist im Saarland stark geprägt durch Leute, die im Design- und Kommunikationsbereich tätig sind. Unter allen Teilbranchen bilden sie zahlenmäßig auf jeden Fall die größte Gruppe. Es gibt hier verhältnismäßig viele kleine Boutique-Agenturen und Freelancer, aber auch einige große Agenturen. Der Architekturmarkt hat sich in den letzten Jahren aber auch gut entwickelt. So verleiht das Saarland auch wiederkehrend den Staatspreis für Design und den Architekturpreis. Und schaut man sich die Marktdaten an, haben wir auch einen relevanten Buchmarkt hier.

Was haben die einzelnen Akteure im Design- und Kommunikationsbereich anzubieten?
Lars Potyka: Zum einen wird man hier sehr gut mit regulären Dienstleistungen wie etwa Webdesign, Grafikdesign, Videoproduktion oder Bildverarbeitung versorgt. Es gibt außerdem kleine Boutique-Agenturen und Freelancer, die sich im Bereich Online-Kommunikation spezialisieren und Strategien und Kampagnen entwickeln, die so manche große Agentur aus Düsseldorf alt aussehen lässt. Darüber hinaus gibt es zum Beispiel im Bereich VR und 360° Film mit der Agentur Aspekteins eine Spezialistin, die sich mit neuartigen Erzählformaten und Storyliving beschäftigt und schon mit Preisen im In- und Ausland ausgezeichnet wurde. Oder nehmen Sie Bunkhouse Film: Dahinter steckt mit Philipp Majer ein ausgezeichneter Dokumentarfilmemacher, der seit Jahren international immer wieder mit seiner Arbeit begeistert. Und die Liste ist noch viel länger.

Wie kommt es zu dieser Ballung von Kommunikations-Experten im Saarland?
Lars Potyka: Wir haben eine sehr gute Ausbildungssituation hier. Neben der Uni und einer großen Hochschule für Technik und Wirtschaft haben wir im Saarland eine Hochschule für Musik und eine Hochschule für Bildende Künste. Besonders letztere entlässt ihre Absolventen mit starken Kompetenzen im Bereich Kommunikation. Viel Leute bleiben nach dem Studium erstmal hier, machen sich zum Teil selbständig oder heuern bei den größeren Agenturen an. Im Saarland ist die Kommunikationsbranche schon etwas Besonderes, was allerdings deutschlandweit noch viel zu wenig bekannt ist. Die Schaffung eines saarländischen USP [Unique Selling Proposition = Alleinstellungsmerkmal] für die Kreativwirtschaft ist mit die größte Herausforderung. In Mannheim beispielsweise hat man sich vor langer Zeit darauf geeinigt, dass man vor allem Gründungen im Musikbereich forcieren will. Dann wurde mit der Pop-Akademie eine Ausbildungsstruktur geschaffen, die 15 Jahre später zu sehr vielen Gründungen im Musikbereich führt. Oder nehmen Sie Leipzig: Leipzig war jahrelang eine wirkliche Alternative zu Berlin, da hier eine forcierte Zwischennutzungspolitik für interessante Gewerbeflächen sowie niedrige Lebenshaltungskosten die Gründungen in der Kreativwirtschaft befeuerten. Im Saarland müsste es das Thema Kommunikation mit all seinen Ausprägungen sein.

Sie haben das Mannheimer Beispiel genannt. Wurden die saarländischen Hochschulen nach dem Vorbild der Pop-Akademie strategisch gegründet oder gefördert, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen?
Lars Potyka: Nein. Mannheim ist aber auch ein extremes Beispiel. An dem Punkt sind wir im Saarland noch nicht. Die Förderung der Kreativwirtschaft ist noch relativ jung. Mit der Kultur- und Kreativbranche und dem Bewusstsein für das Potenzial, das in ihr steckt, wachsen auch die Investitionen. Mannheim hingegen hat richtig viel Geld in die Hand genommen, um das Thema Musik und Gründungen voranzutreiben. Das sind Beträge von denen wir im Saarland momentan noch weit entfernt sind.

Warum ist die Kreativwirtschaftsförderung im Saarland eher verhalten?
Lars Potyka: Das kommt daher, dass wir im Saarland in einer Region leben, die sich schon jahrzehntelang im Strukturwandel befindet. Erst gab es hier Kohle und Stahl ― Stahl gibt es immer noch ― , dann wurde die Autoindustrie prägend. Wo die Zukunft hinführt, kristallisiert sich gerade erst heraus. Die Stärkung der Kreativwirtschaft wird dabei mehr und mehr als aussichtsreiche Option erkannt, um den Strukturwandel erfolgreich weiter voranzutreiben. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Kreativbranche ein Hauptkompetenz-Träger bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist. Dock 11 ist das Instrument der saarländischen Wirtschaftsförderung, um die Kreativbranche zu stärken. Wir vernetzen, informieren und organisieren die Leute. Das Besondere im Saarland ist dabei die räumliche Nähe. Zum einen im Land selbst: Das Saarland ist relativ klein und dicht besiedelt, hier wohnen knapp eine Million Menschen. Und zum anderen durch die Nähe zu Luxemburg, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Hier finden wir in den Kreativbranchen der jeweiligen Länder häufig Synergien. Zukünftig wird Dock 11 verstärkt die Ressourcen mit Partnern aus diesen Regionen zusammenlegen und gemeinsam Angebote entwickeln. Gerade jetzt in der Planung sind gemeinsame Delegationsreisen zu Branchenmeetings, eigene Mini-Kongressformate oder die Entwicklung eines grenzüberschreitenden Creativ Business Awards.

Sie haben von Strukturwandel und Kreativwirtschaft gesprochen. Wie geht das im Saarland zusammen?
Lars Potyka: Wir sind da gerade an einem Punkt, wo wir die Leute für das Thema sensibilisieren, die Stakeholder im Land zusammenbringen und einen Diskurs starten. Wir haben beispielsweise das “Cross-Innovation-Experiment” durchgeführt, in dem Akteure aus Kreativwirtschaft, aus der traditionellen Wirtschaft und von intermediären Institutionen an mehreren Tagen zusammen kamen, um das Thema Cross Innovation von Grund auf anzugehen. Und daraus sind auch schon erste Projektvorschläge hervorgegangen.

Welche Projektvorschläge hat das “Cross-Innovation-Experiment” geliefert?
Lars Potyka: Zunächst möchte man Strukturen schaffen, die die Kreativwirtschaft hier stärker voranbringen. Vor allem wollen wir einen zentralen Ort, einen Hot Spot, einen Creative Hub, ähnlich wie das Hafven in Hannover, das Bliiida in Metz, das 1535° in Differdange in Luxemburg oder das C-Hub in Mannheim. Der Projektvorschlag trägt momentan noch den Arbeitstitel „Kraftwerk“. Wir wollen, dass die Kreativwirtschaft hier eine Möglichkeit hat, sich und ihr volles innovatives Potenzial zu entwickeln und auch in Kooperation mit Akteuren aus anderen Branchen zu entfalten. Ein Ort, an dem Projekte und Prototypen entwickelt werden. Ein Ort, an dem sich Netzwerke und Infrastrukturen bilden, die speziell auf die Bedarfe einer Kreativwirtschaft und Digitalwirtschaft angepasst sind.