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12.11.2019 -

Kultur- und Kreativwirtschaft in… Hamburg: gutes Pflaster für Kreativakteure Interview mit Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft

Einleitung

  • 12.11.2019

Darüber, was mit Kultur- und Kreativwirtschaft gemeint ist, besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit. Dabei gibt es landauf, landab ganz unterschiedliche Standortbedingungen, die für eine jeweils besondere Ausprägung der Kreativszene sorgen.

Herr Rühl, was ist das Besondere an der Kultur- und Kreativwirtschaft in Hamburg?

Egbert Rühl: Das Besondere sind vier sehr starke Teilmärkte. Da ist traditionellerweise der Pressemarkt. Außerdem ist Hamburg eine bedeutende Stadt, was Werbung betrifft. Hier sind sehr viele auch international erfolgreiche Agenturen ansässig. Dann ist Hamburg neben München die Design-Hauptstadt Deutschlands. Und der Bereich Software/Games ist stark wachsend. Aber darüber hinaus deckt Hamburg die gesamte Bandbreite der Kultur- und Kreativwirtschaft ab. Man kann hier gut in der Kreativwirtschaft arbeiten und sein Geld verdienen.

Das hört sich an, als sei Hamburg ein idealer Standort für angehende Akteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Egbert Rühl: Ich denke schon. Es gibt wirklich sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten, sowohl natürlich an den öffentlichen Schulen und Hochschulen, aber auch ein Netzwerk von privaten Ausbildungseinrichtungen. Beispielsweise die Hamburg School of Ideas, die einzige Ausbildungseinrichtung in Deutschland für Text und Werbung. Es gibt die Hamburg Media School, es gibt die Henri-Nannen-Schule für Journalisten, es gibt Schauspielschulen, die überaus erfolgreich sind. Und natürlich gibt es ein umfassendes Serviceangebot für diejenigen, die gründen.

Mit welchen besonderen Herausforderungen haben es die Hamburger Kreativ-Akteure zu tun?

Egbert Rühl: Da sind natürlich die fast schon klassischen Themen wie Digitalisierung und Fachkräftemangel zu nennen. Besondere Schwierigkeiten haben wir beim Thema Raum: Wo finde ich als Kreativer, als Gründer, als Start-up, einen bezahlbaren Arbeitsraum? Das ist hier nicht anders als in allen anderen schnell wachsenden und dann teuren Metropolen. Eine besondere Herausforderung in der Hansestadt aus meiner Sicht ist sicher, dass es hier im Gegensatz zu den Flächenstaaten keine dezidierte Internationalisierungsstrategie gibt Bayern und Baden-Württemberg geben viel Geld aus, um ihren Unternehmen zu helfen, internationale Märkte zu erschließen. Das gibt es in Hamburg schlicht und ergreifend nicht.

Warum hat die Hamburger Wirtschaftsförderung aus Ihrer Sicht keine Internationalisierungsstrategie für Kreativunternehmen?

Egbert Rühl: Stadtstaaten haben große Vorteile, was Nähe und die Geschwindigkeit von Austausch betrifft. Aber sie haben natürlich auch den Nachteil, dass sie als Stadtstaaten sämtliche Länderaufgaben übernehmen müssen: also Schulen, Hochschulen, Sicherheit, Verkehr, all diese Dinge. Hamburg hat nicht die finanzielle Kapazität, sich so international aufzustellen, wie das die großen Flächenländer können.

Sie haben eingangs eher die Schwergewichte der Kultur- und Kreativwirtschaft erwähnt. Gibt es auch eine kleinteiligere Kreativszene?

Egbert Rühl: Es gibt auch in Hamburg den notwendigen Humus der kreativen Kultur und Subkultur. Vielleicht nicht so wie in Berlin, wo die unglaublichen Raumpotenziale nach dem Mauerfall dazu geführt haben, dass sich eine kreative Subkultur massiv ausgebildet hat. Aber wir beobachten, dass viele, die drei Jahre in Berlin sozusagen gefeiert haben, dann wieder nach Hamburg, München oder Köln zurückgehen, um dort bereichert um die Berliner Erfahrung, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und Berlin wird ja auch immer teurer.

Sie sprechen die unglaublichen Raumpotenziale in Berlin an: Wie hält Hamburg hier mit?

Egbert Rühl: Natürlich gibt es auch in Hamburg Quartiere, wo wir uns explizit darum bemühen, kulturelle und kreative Subkultur zu stärken. Beispielsweise im Oberhafenquartier, dem ehemaligen Güterbahnhof, der zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt liegt. Das Oberhafenquartier ist mittlerweile auch bei Werbeagenturen oder Filmemachern sehr gefragt: Das ist spannend, da müssen wir hin, weil da gibt es noch das urwüchsige und sehr oft vorkommerzielle Kreative. Die agilen kommerziellen Einrichtungen und Unternehmen schätzen diese Nähe zu diesem Vorkommerziellen, zu diesem Subkulturellen. Das Problem ist: Genau das zerstören sie dadurch, dass sie dort hinziehen. Das ist etwas, womit wir uns im Kontext von Stadtentwicklung beschäftigen, was wir verstehen und steuern müssen.

Gibt es bei diesen Subkulturellen, wie Sie sagen, mittlerweile bekannte und besonders erfolgreiche Akteure oder Projekte?

Egbert Rühl: Man könnte zum Beispiel das Gängeviertel nennen, das würde sich selbst vermutlich nicht im Bereich der Kreativwirtschaft verorten wollen.
Das Gängeviertel ist das letzte historische Quartier in der City Hamburgs, wurde vor zehn Jahren besetzt, als es verkauft worden war und abgerissen werden sollte, weil der Investor ein weiteres Bürogebäude bauen wollte. In diesen zehn Jahren ist es erstens erhalten und zweitens saniert worden, drittens gibt es dort einen Selbstverwaltung der ehemaligen Besetzer, die jetzt einen auf Erbbaurecht beruhenden Vertrag haben und dieses Quartier weiterentwickeln.

Wir haben den Akteuren aus dem Gängeviertel ein Gebäude im Oberhafenquartier untervermietet. Die haben da nicht nur einen sehr erfolgreichen Techno-Club eingerichtet, sondern auch einen Coworking Space für Filmschaffende etabliert, der erfolgreiche VR-Start-ups hervorgebracht hat. Diese Start-ups haben wir, nachdem der Raum im Coworkingspace nicht mehr ausreichte, in einem unserer anderen größeren Immobilienprojekten, dem Kreativspeicher M28 in der Speicherstadt, untergebracht.

Gibt es besondere Erfolge der Kultur- und Kreativwirtschaft in Hamburg zu vermelden?

Egbert Rühl: Wir beschäftigen uns in Hamburg sehr intensiv mit dem Thema Innovation. Das eine ist Innovation für die Kreativwirtschaft. Das sind die Dinge, die wir zum Beispiel mit next.Media machen, Angebote, die Hamburger Medienunternehmen helfen, ihre Geschäftsmodelle ins Digitale zu transferieren. Da beschäftigen wir uns zum Beispiel im Moment intensiv mit Voice, mit diesen smarten Lautsprechern. Es geht dabei um die Frage: Wie schaffen es Inhalte-Anbieter, also beispielsweise Musikproduzenten, Musiklabel, aber natürlich auch Content-Entwickler, Verlage oder Journalisten, dass ihre Inhalte dort bereitgestellt und konsumiert werden können? Und wie sie damit Geld verdienen können.

Das andere Innovationsthema ist Innovation mit der Kreativwirtschaft. In unserem Cross Innovation Hub organisieren wir die Zusammenarbeit von klassischen Unternehmen und kreativwirtschaftlichen Unternehmen in der Frühphase von Innovation. Wir führen zum zweiten Mal das Cross Innovation Lab durch, wo Industriepartner ausgewählte Produkte ausstellen oder zur Verfügung stellen. Dazu laden wir dann kreativwirtschaftliche Partner ein, die wir ausgewählt haben,an der Weiterentwicklung dieser Produkte zu arbeiten. Ein weiteres Beispiel ist das Format Content Foresight. Im letzten Durchgang haben wir Medienunternehmen und Unternehmen aus der Mobilitätsbranche zusammengebracht und sie über einen längeren Zeitraum begleitet und moderiert. Verschiedene interdisziplinäre Teams beschäftigten sich dabei mit der Frage, wie Mediennutzung in zukünftigen Mobilitätssystemen in 5, 10 oder 15 Jahren aussehen könnte. Ergebnis der Kooperation ist unter anderem die geplante Entwicklung einer App, die Touristen, aber auch Menschen, die hier leben, eine virtuelle Stadtführung anbietet. Über die Stadt hinweg sind dabei sogenannte „History Spots“ und Attraktionen verteilt, die die Geschichte der Stadt durch Mixed Media erlebbar machen. Und um zwischen den verschiedenen „History-Spots“ zu pendeln, schlägt die App verschiedene Mobilitätsangebote vor: von Bahn und Bus über Stadträder und E-Scooter bis hin zu Booten. Davon haben wir hier ja genug.

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