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24.06.2020 -

Kultur- und Kreativwirtschaft verstärkt im Förder-Fokus Interview mit Stefan Schnorr, Abteilungsleiter Digital- und Innovationspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, zum Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen (IGP), das aktuell eine Ausschreibung für kultur- und kreativwirtschaftliche Innovation gestartet hat.

Einleitung

  • 24.06.2020

Herr Schnorr, seit Kurzem bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen, kurz IGP, an. Was genau fördert das IGP?

Stefan Schnorr: Das IGP ist ein als Pilot angelegtes Förderprogramm, mit dem wir explizit nichttechnische Innovationen unterstützen. Bisher stand besonders die Technologieentwicklung im Zentrum der Innovationsförderung. Das ändert sich nun. Und damit rücken verstärkt auch andere Zielgruppen in den Fokus. Wenn Technologien gefördert werden, dann betrifft das oft forschungsintensive Unternehmen und Technische Universitäten. Bei der nichttechnischen Innovationsentwicklung treten nun auch zunehmend Branchen wie beispielsweise die Kultur- und Kreativwirtschaft in den Vordergrund.

Was sind denn nichttechnische Innovationen?

Stefan Schnorr: Da geht es um ein breites Spektrum von Problemlösungen: Beispielsweise nie dagewesene Konzepte für Organisationsformen, Dienstleistungen oder das Marketing. Und natürlich auch, wie der Programmname schon sagt, neue Geschäftsmodelle. In der Praxis können das etwa neue Produktdesigns sein oder innovative Plattformkonzepte oder Service-Innovationen.

Können auch kreativwirtschaftliche Vorhaben wie z.B. die Komposition eines neuen Musikstücks gefördert werden? Oder eine Ausstellung? Eine Theaterproduktion? Ein Filmprojekt?

Stefan Schnorr: Wenn es klassische Formate zur einmaligen Umsetzung betrifft, dann eher nicht. Mit dem IGP wollen wir Projekte mit innovativer Strahlkraft über den einzelnen Innovator und den Projektzeitpunkt hinaus unterstützen. Ich mache es mal an Ihrem Beispiel des Musikstücks deutlich: Wenn ein Komponist ein Stück schreibt, das traditionelle Elemente neu variiert und für begrenzte Zeit seine Hörerschaft findet, dann ist das sicherlich gut, aber nicht förderfähig. Wenn aber jemand ein Tool für Komponisten entwickelt, das die Art und Weise, wie Stücke gemacht werden, auf eine komplett neue Basis stellt und damit einen nachhaltigen Einfluss auf zukünftige Kompositionen hat und vielleicht auch darauf, wie später Filmmusik, Werbemusik, Musicals etc. entstehen, dann hat das sehr gute Förderchancen. Es geht also darum, möglichst Effekte zu erzielen, die auf ganze Tätigkeitsbereiche oder Wirtschaftsbereiche ausstrahlen.

Wenn man eine solche Innovation im Kopf hat: Was muss man nun tun, um dafür eine Förderung zu bekommen?

Stefan Schnorr: Man muss sich bewerben. Beim IGP gibt es verschieden Förderaufrufe. Beim ersten ging es um digitale und datengetriebene Geschäftsmodelle und Pionierlösungen. Da lief die Bewerbungsfrist bis Februar, die Nachfrage war groß und das Feedback positiv. Die aktuelle zweite Ausschreibungsrunde stellt kultur- und kreativwirtschaftliche Innovationen in den Vordergrund. Jetzt kann jeder, der seiner Innovation das entsprechende Potenzial zutraut, einen relativ kurzen Teilnahmeantrag stellen – natürlich online. Der soll die Grundzüge und Kernelemente seiner Idee zusammenfassen und muss zentrale administrative Angaben zum Unternehmen und zum Projekt enthalten. Auf Basis dieser Teilnahmeanträge können wir sortieren, welche Ideen besonders Erfolg versprechend sind. Die Bewerber mit den aussichtsreichsten Teilnahmeanträgen bitten wir dann, ein maximal dreiminütiges Pitch-Video einzureichen. Antragsteller mit komplexeren Vorhaben laden wir außerdem zu einem Live-Pitch ein.

Wer kommt dann weiter?

Stefan Schnorr: Auf Basis von Teilnahmeantrag und Pitch entscheidet eine mit unterschiedlichen Experten besetzte Jury über die Förderwürdigkeit des Projekts: Wie innovativ ist es? Wie groß ist das wirtschaftliche Potenzial? Wie gut ist das Projekt strukturiert? Ist das Team überzeugend? Wer sind ggf. die Kooperationspartner? Oder auch: Inwieweit hat das Projekt überhaupt staatliche Unterstützung nötig? Wenn dann die Jury ihren Daumen gehoben hat, müssen die Erfolgreichen als letztes noch einen ausführlicheren Vollantrag schreiben, damit alle formellen Kriterien für eine Förderung gut adressiert sind. Das ist am Ende nochmal etwas Verwaltungsaufwand, aber es geht ja um die Verwendung von Steuergeldern, und da müssen wir natürlich gründlich sein.

Wie hoch ist die Förderung eigentlich?

Stefan Schnorr: Vereinfacht ausgedrückt ist es so: Für kleinere Projekte, die besonders auf die Machbarkeit von Ideen zielen, liegen die maximal förderfähigen Kosten bei 70.000 Euro. Und von diesen Kosten werden maximal 70 Prozent als Zuschuss übernommen, also 49.000 Euro. Bei großen Projekten, die eine Pilotierung von Ideen am Markt zum Ziel haben, liegen die maximal förderfähigen Kosten bei 300.000 Euro, davon werden maximal 55 Prozent übernommen. Der Fördersatz ist dabei für kleine Unternehmen höher als für größere. Bis zu 100 Prozent gibt es für qualifizierte Wissenschaftspartner, falls welche mit an Bord sind. Außerdem können Innovationsnetzwerke gestartet werden, bei denen wir die Kosten des Netzwerkmanagements zu einem hohen Teil übernehmen.

Wer kann in den Genuss dieser Förderung kommen?

Stefan Schnorr: Wir zielen im aktuellen Förderaufruf auf Innovationen aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wir machen dabei aber keine Branchenprüfung.
Grundsätzlich ist jedes kleine und mittlere Unternehmen antragsberechtigt. Dazu gehören auch Selbständige, Freiberufler, Start-ups und Gründerteams. Entscheidend ist aktuell der im jetzigen Förderaufruf spezifizierte Typus von Innovation an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Kunst, Kultur und Kreativschaffenden.

Hätte man die nichttechnischen Innovationen in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht schon früher fördern können?

Stefan Schnorr: Wir fördern teilweise schon nichttechnische Innovationen, beispielsweise spielen neue Geschäftsmodelle bereits eine wichtige Rolle in der Gründungsförderung. Hier gibt es ja unter anderem den erfolgreichen Wettbewerb der Kultur- und Kreativpiloten. Neu ist allerdings, dass die breite Projektförderung, die im Technologiebereich ein ganz zentrales Instrument ist, nun explizit auf nichttechnische Innovationen angewandt wird. Was dabei herausfordernd ist und einer der Gründe dafür, dass man das nicht so schnell gemacht hat: Es braucht eine komplett andere administrative Struktur, als im Technologiebereich. Da läuft das Antragsverfahren typischerweise allein per schriftlichem Antrag, der von naturwissenschaftlich versierten Gutachtern geprüft wird - oft anhand harter Parameter wie Millibar oder Kilowattstunden. Bei nichttechnischen Innovationen geht es viel stärker um den Wettbewerb der Ideen und um weichere Faktoren, beispielsweise eine verbesserte Usability oder effizientere Vernetzung. Hier ein System aufzubauen, das den Anforderungen an staatliche Zuwendungen genügt, ist nicht trivial. Aber unser starker Eindruck von der Startphase des IGP ist, dass es sehr gut funktioniert.

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