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13.05.2016 -

Mit einer Handvoll Dollar: Crowdfunding

Einleitung

Der britische Künstler David Bowie war nicht nur ein besonders kreativer Pop-Musiker. Erfinderisch war er auch bei der Finanzierung seiner Musikprojekte. So lieh er sich 1997 zu seinem 50. Geburtstag von Privatleuten 55 Mio. US-Dollar. Die Geldgeber bekamen im Gegenzug Bowie Bonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren und zu 7,9% Prozent Zinsen. Ein gutes Geschäft, für beiden Seiten. Das Geld für die Rückzahlung wollte Bowie mit den Einnahmen von 300 seiner Songs einspielen. Was auch funktionierte. Das Kapital brauchte er übrigens, um sich die Rechte an einer ganzen Reihe seiner Kompositionen zurückzukaufen. Die gehörten bis dahin noch seinem ehemaligen Manager.

Crowdfunding in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Apropos kreativ: Auch die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnen sich durch eine hohe Innovationstätigkeit aus. Das belegt nicht zuletzt das Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2014. So haben insgesamt 85 Prozent der Kultur- und Kreativunternehmen in den vergangenen Jahren Innovationen realisieren können.  Dazu gehörte bei 7 Prozent aller befragten Kreativschaffenden auch der Einsatz  neuer Finanzierungsmodelle, darunter u.a. Crowdfunding: vor allem im Markt für darstellende Künste (18 Prozent), in der Musikwirtschaft und in der Rundfunkwirtschaft (je 11 Prozent) und in der Software- und Games-Industrie (10 Prozent). Neue Finanzierungsmodelle künftig nutzen wollen immerhin 17 Prozent aller Befragten.

Vielzahl von Geldgebern

Was noch vor der Jahrtausendwende die Bowie Bonds waren, ist heute das Crowdfunding oder die Crowdfinanzierung, wobei die Bowie Bonds nur einer der Spielarten des Crowdfundings sehr ähnlich sind: dem Crowdlending. Das Verfahrensprinzip ist allerdings bei allen vier Spielarten dasselbe wie bei Bowie: Das Geld für ein Projekt oder Werk oder eine Unternehmensgründung kommt von einer Vielzahl von Geldgebern (=Crowd). Die können viel geben, müssen aber nicht: Eine Handvoll Dollar reicht, schreibt das Bibliotheksforum Bayern dazu. Neu ist: Crowdfunding ist heute nicht nur für Pioniere, sondern für viele Kreativschaffende eine Möglichkeit, das notwendige Startkapital für ein Projekt oder Werk oder eine Unternehmensgründung zu beschaffen. Nicht zuletzt dann, wenn die Bank einen Kreditantrag abgelehnt hat. Geld braucht keine Bank: mit diesem Slogan wirbt beispielsweise ein Crowdfunding-Anbieter. 

"Die Finanzindustrie wird sich ändern. Vor 70 Jahren gab es keine Kreditkarten - jetzt hat die so ziemlich jede Bank im Angebot. Bald wird jedes Geldinstitut der Welt Crowdfunding anbieten."

Slava Rubin (CEO der Crowdfunding-Plattform Indiegogo)

Crowdfunding-Plattformen

Um viele Geldgeber für ein Projekt oder die Umsetzung einer Geschäftsidee zu finden, nutzen Projektplaner, Gründerinnen und Gründer, aber auch expandierende Unternehmen, das Internet. Eine zentrale Rolle spielen dabei Crowdfunding-Plattformen. Hier kann die Projekt- oder Geschäftsidee präsentiert und um finanzielle Unterstützung geworben werden. 

"Jede Plattform setzt ihre eigenen Schwerpunkte. Die einen fokussieren sich auf junge Unternehmen, andere auf Mittelständler. Einige Plattformen spezialisieren sich auf bestimmte Branchen, zum Beispiel Filme, Journalismus, Musik, Gesundheit oder Erneuerbare Energien."

Karsten Wenzlaff (Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien und Mitglied des European Crowdfunding Stakeholder Forums) 

Übersichten und Crowdfunding Informationsportale im Web helfen bei der Suche nach der "richtigen" Plattform für das jeweilige Vorhaben.

Crowdfunding

Donation-Based Crowdfunding

Das Donation-Based Crowdfunding entspricht dem Online-Fundraising vieler gemeinnütziger Organisationen und Vereine. Es kommt vor allem für gemeinnützige Vereine oder Fördervereinen (z.B. für Kulturprojekte) in Frage. Es eignet sich fast nur für karitative Projekte. Das bedeutet, dass Geldempfänger und Geldgeber keinerlei gewinnorientiere Interessen verfolgen.

  • Beispiel: Kulturplatz Basislager
    Kulturplatz Basislager ist vergleichbar mit einem jährlichen Weihnachtsmarkt, der in vielen einzelnen Basislager Ateliers stattfindet und ein einzigartiges Sortiment von Kunst, Grafik, Handwerk usw. bietet. Er stand mangels Masse vor dem Aus. Die Organisatoren und Unterstützer versuchten ihr Glück über Donation-Based Crowdfunding. Spendenaufkommen: 500 Euro von 11 Spendern über die Plattform 100days. Kulturplatz Basislager findet dieses Jahr wieder statt.

Reward-Based Crowdfunding

Für freiberufliche Kreative und Medienschaffende kann Reward-Based Crowdfunding eine einfache und schnelle Möglichkeit sein, das notwendige Startkapital für ein Projekt oder Werk zu bekommen. Sobald es mit Hilfe des nötigen "Kleingeldes" umgesetzt ist, kann es kommerziell verwertet werden. Finanzierbar sind vor allem soziale, kulturelle, künstlerische, ökologische Projekte: etwa eine Konzertveranstaltung, die Produktion eines Films oder einer Musik-CD, die Recherche für ein Buch oder auch die Produktion von Kleidung für ein junges Modelabel.

  • Beispiel: Perspective Daily (Kultur- und Kreativpilot Deutschland 2015)
    Perspective Daily steht für einen Journalismus, der nicht nur Probleme beschreibt, sondern auch Lösungen diskutiert, der sowohl negative als auch positive Entwicklungen aufzeigt und so ein ausgewogenes und realistisches Weltbild vermittelt. Die Macher wollen einen Journalismus praktizieren, der Hintergründe und Zusammenhänge vermittelt und seine Leser befähigt, zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind - und wie man sie vielleicht verbessern kann. Das Crowdfunding lief über die eigene Webseite. Dabei hatte das Team prominente Unterstützung von z.B. Nora Tschirner.

Allerdings geht es gerade beim Reward-Based Crowdfunding nicht nur ums Geld. Als Gegenwert erhalten die Geldgeber nämlich eher ideelle Gegenleistungen wie beispielsweise Eintrittskarten, CDs oder Gutscheine. Oder sie können das Produkt erwerben, bevor es auf dem Markt verfügbar ist. Der Projektinitiator bekommt in diesem Fall ein Feedback zur Nachfrage nach seinem Angebot. Der Kontakt zur Crowd ist damit auch ein wichtiges Marketinginstrument: Mit Crowdfunding lässt sich feststellen, wie realistisch ein Projekt- oder Unternehmens-Konzept ist.

Crowdinvesting (Equity-Based Crowdfunding)

Equity-Based Crowdfunding ist ein Finanzierungsinstrument für junge innovative Unternehmen. Es werden z.B. aber auch Film- oder Immobilienprojekte finanziert. Beim Crowdinvesting werden Kapitalgeber gesucht, die sich am Erfolg eines Unternehmens beteiligen wollen. Es ist dem Kauf oder Verkauf von Stammaktien an einer Börse oder der Aufnahme von Risikokapital ähnlich. Konkret investieren Geldgeber in Form von stillen Beteiligungen, Genussrechten oder um partiarischen Nachrangdarlehen.

  • Beispiel: livekritik.de (Kultur- und Kreativpilot Deutschland 2013)
    livekritik.de liefert Berichte und Besucherrezensionen über kulturelle Veranstaltungen wie Theater, Konzert, Tanz, Lesung oder Ausstellungen. Damit bietet die Plattform gerade kleinen, regionalen und individuellen kulturellen Veranstaltungen und Akteuren eine zeitgemäße Präsentationsfläche und stiftet umgekehrt interessierte Nutzer zur Kulturteilhabe und zum Kulturaustausch an. Mit Unterstützung der Plattform Companisto konnte livekritik.de 80.525 Euro von 521 Geldgebern investieren.

Die Investoren stellen dem Unternehmen Kapital zur Verfügung und erwarten einen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens (Zinsen und erfolgsabhängige Bonuszinsen). Aber Vorsicht: Equity-Based Crowdfunding ist eine Hochrisikokapitalanlage. Ein Investor kann sein gesamtes eingesetztes Geld verlieren, wenn das unterstütze Start-up oder Unternehmen insolvent ist (Totalverlustrisiko).

Crowdlending (Lending-Based Crowdfunding)

Crowdlending-Plattformen bieten Darlehen für Selbständige oder auch für Privatpersonen an. Genauer gesagt: Sie vermitteln diese Darlehen zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern. Anstatt einen Kredit bei nur einer Quelle aufzunehmen, kommt das Geld von vielen verschiedenen privaten und institutionellen Anlegern mit unterschiedlichen Summen. Die Geldgeber erwarten die monatliche Rückzahlung des Darlehens plus Zinsen.

  • Beispiel: Radiopark
    Die Firma Radiopark aus Hamburg hat einen Firmenkredit über die Plattform Lendico erhalten. Der war notwendig für Investitionen in neue Server, die für mehr und bessere Musik sorgen sollten. Die Firma konzipiert und installiert Hintergrundmusik für Hotels, Restaurants oder Shoppingmalls.

Bei Privatkrediten sind meist keine Sicherheiten erforderlich. Bei Unternehmenskrediten muss der Unternehmer eine private Bürgschaft über die Kreditsumme stellen (selbstschuldnerische Bürgschaft).

Was Bowie kann, können wir auch: das Stromberg-Crowdinvesting

Die Finanzierung des Kinofilms "Stromberg" mit Christoph Maria Herbst alias Bernd Stromberg im Dezember 2011 war die erste Crowdinvesting- Aktion, die in Deutschland von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Die Zielsumme von einer Million Euro kam innerhalb einer Woche zusammen. Insgesamt haben sich 3.300 Crowd-Investoren an dem Film beteiligt. Im Februar 2014 kam er in die deutschen Kinos und hat mittlerweile weit über eine Million Zuschauer angelockt. Das Projekt ist damit nicht nur ein Erfolg für die Produktionsfirma und die investierende Crowd, sondern auch ein Vorzeige-Fall für das Thema Crowdfunding für Kreativschaffende in Deutschland. Mit einem klassischen Bankkredit wären Finanzierung und Realisierung vor allem auch in dieser kurzen Zeit kaum denkbar, unken Crowdfunding-Fans bei solchen Beispielen gern immer wieder. Wenn überhaupt, müsse man hier wesentlich mehr Zeit einplanen. Wie sagte dazu der fast kahle Stromberg - allerdings (in einer anderen Filmsituation): "Kinder, was dauert denn das wieder so lange? Als ich mich hier angestellt habe, hatte ich noch volles Haar."