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27.05.2021 -

„Wir verstehen uns als Designerinnen und Unternehmerinnen.“
Interview mit Anna Karsch, Co-Inhaberin von akjumii

Einleitung

Michaela Wunderl-Strojny und Anna Karsch, Quelle: akjumii OHG

Michaela Wunderl-Strojny u. Anna Karsch

© akjumii OHG

Die (Mode)Welt etwas besser machen. Das ist das Ziel der beiden Designerinnen Anna Karsch und Michaela Wunderl-Strojny. Dazu haben sie bereits 2012 ihr Fair Fashion Label akjumii gegründet. Mit der Entscheidung, ihre Kollektion nachhaltiger als bisher auszurichten, stehen sie nun vor neuen unternehmerischen Herausforderungen. Was das bedeutet, darüber haben wir mit Anna Karsch, Co-Gründerin und Inhaberin von akjumii, gesprochen.

Frau Karsch, welches Team steckt hinter akjumii?

Karsch: Das sind in erster Linie Michaela Wunderl-Strojny und ich. Wir haben uns während unseres Modedesign-Studiums in München kennengelernt und damals schon viele Projekte zusammen realisiert. Danach haben wir in der Modeindustrie Erfahrungen gesammelt und 2012 schließlich akjumii gegründet. Zu akjumii gehören inzwischen aber auch eine Reihe von Kooperationspartnern. Das sind Freiberufler*innen und kleine Unternehmen, wie zum Beispiel eine familiengeführte Schneiderei, nicht weit von München entfernt.

Sie haben akjumii 2012 gegründet. Wie ist es bisher gelaufen?

Karsch: Wir hatten akjumii zunächst als reines Online-Modelabel gegründet. Wichtig war uns schon damals, nachhaltige Kleidungsstücke zu designen und gemeinsam mit der Fair Fashion Community die Modeindustrie zu verändern. 2014 erhielten wir dann die Möglichkeit, drei Monate lang einen Pop-up-Store in einem großen Einkaufszentrum in Berlin zu beziehen. In dieser Zeit wurde uns klar, wie wichtig der persönliche Kontakt zu den Kund*innen ist, so dass wir im Jahr darauf ein Geschäft mit Showroom, Atelier und Ladenfläche im Münchener Glockenbachviertel eröffnet haben. Inzwischen bieten wir in den vorderen Geschäftsräumen wechselnde Ausstellungen mit anderen Labels und Künstler*innen an. Im hinteren Bereich sind unser Showroom und Atelier, wo man exklusive Shopping-Events buchen und mit uns als Designerinnen ins Gespräch kommen kann.

Hört sich doch gut an. Trotzdem haben Sie Ihre Kollektion noch einmal komplett neu ausgerichtet.

Karsch: Stimmt, wobei wir letztlich unsere Vision, nachhaltige Kleidung zu entwickeln, weniger neu ausgerichtet als vielmehr konsequent fortgeführt haben. Daraus ist dann 2020 ein zentrales Produkt entstanden: unser 3IN1 COAT, der unter fairen Bedingungen in Deutschland aus nachhaltigen Materialien produziert wird. Seine Besonderheit liegt vor allem im Design: Wir haben ein Kleidungsstück entworfen, das möglichst lange und unabhängig von Modetrends das ganze Jahr über getragen werden kann. Deswegen ist der 3IN1 COAT sowohl Mantel, Weste als auch Jacke. Darüber hinaus können Kragen oder auch Saum mit Hilfe unserer „Add Ons“ variiert werden.

Wie läuft es mit dem COAT? Schreiben Sie schwarze Zahlen?

Karsch: Wir haben Ende 2020 mit Hilfe des Förderprogramms „Crowdfunding-Kampagne“ der Stadt München ein erfolgreiches Crowdfunding durchgeführt. Mit der Förderung konnten wir Kreative aus München damit beauftragen, das notwendige Bild- und Videomaterial zu produzieren. Gerade das ist ja sehr kostspielig, deswegen hat uns die Förderung der Stadt München extrem weitergeholfen. Mit den Einnahmen aus dem Crowdfunding konnten wir dann die ersten Pre Order generieren sowie einen kleinen Lagerbestand unserer 3IN1 COATS produzieren. Insgesamt war die Kampagne ein super Marketingtool, mit dem wir unsere Zielgruppe vergrößern konnten. Unsere Kund*innen kommen inzwischen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Februar 2021 haben wir dann auch unseren Online-Shop gelauncht.

Was die schwarzen Zahlen angeht: akjumii existiert schon seit 2012 und trägt sich selbst – das bedeutet, die Betriebskosten sind gedeckt. Für die Lebenshaltungskosten von Michaela und mir reicht es aber noch nicht. Wir müssen also noch nebenher woanders arbeiten, um über die Runden zu kommen.

Welche Kund*innen haben Sie im Visier?

Karsch: Wir fokussieren uns momentan auf Kund*innen im Alter von 30 bis 40 Jahren. Wir haben mit unserem Coat ja nicht nur ein modisches Design-Produkt erschaffen, sondern wollen damit auch Fair Fashion vorantreiben. Zu unseren Kund*innen gehören also zum einen diejenigen, die sich für Fair Fashion interessieren, die bewusst und umweltkonform konsumieren und faire Produktionsbedingungen unterstützen wollen. Zum anderen haben wir es auch mit modeinteressierten Menschen zu tun, die einfach von unserem Design fasziniert sind.

Diese Zielgruppen wollen wir vor allem über Influencer*innen-Marketing sowie über alle relevanten Social Media Kanäle erreichen. Außerdem haben wir ein Vertriebssystem mit Einzelhändler*innen aufgebaut, wobei hier der Eventcharakter im Vordergrund stehen wird.

Sie kooperieren mit dem mittelständischen Einzelhandel, was ist mit den großen Textilunternehmen?

Karsch: Natürlich würden wir unsere Mäntel auch gerne im Onlineangebot der großen Textilunternehmen platzieren. Aber die erwarten in der Regel einen großen Lagerbestand. Den haben wir nicht. Das ist finanziell nicht drin. Wir können nicht jeweils zehn Mäntel in derselben Größe, Farbe usw. auf Lager haben. Das ist für uns ein zu hohes Vorinvestment und zumindest momentan noch nicht möglich.

Sie setzen sich für mehr Fairness in der Modebranche ein. Da müsste Ihnen das neue Lieferkettengesetz doch entgegenkommen. Wie gehen Sie mit dem Thema Transparenz um?

Karsch: Transparenz ist für uns der Schlüssel zu einem nachhaltigen Lebensstil. Deswegen legen wir alle unsere Lieferketten offen. Auf unserer Webseite erfährt man, wo jedes Material herkommt. Wir machen auch kein Geheimnis aus unseren Partnerunternehmen, also wo wer was produziert, wo die Rohstoffe herkommen, aus welchen Ländern sie kommen. Selbst über unsere Preisgestaltung kann sich jeder in unserem Online-Shop informieren. Wir wollen damit auch sicherstellen, dass alle in der Lieferkette fair bezahlt werden und unsere Kund*innen einen Überblick darüber bekommen, um eine bewusstere Kaufentscheidung treffen können.

Ist es für Sie als Designerinnen ein Widerspruch, künstlerisch tätig zu sein und zugleich unternehmerisch zu denken?

Karsch: Nein. Wir verstehen uns als Designerinnen und Unternehmerinnen. Wir haben auch gar keine andere Wahl. Da wir nur zu zweit sind, mussten wir uns in alle Bereiche unseres Mode-Labels einarbeiten und dafür sorgen, dass es wächst. Schließlich wollen wir irgendwann auch davon leben können. Als Mode-Designerinnen lernt man ja nicht im Studium wie zum Beispiel Buchhaltung oder Social Media Marketing funktionieren. Das mussten wir uns schon alles selbst beibringen. Wir haben uns dazu mit anderen Selbständigen ausgetauscht und viel gelesen. Natürlich ist auch viel Learning by doing dabei, das geht auch stetig so weiter.

Was ist für Sie als Selbständige die größte Herausforderung?

Karsch: Motiviert zu bleiben. Man muss sich immer wieder selbst motivieren und konsequent am Ball bleiben. Hinzu kommt der finanzielle Aspekt. Es kann schon eine Weile dauern, bis man seinen Lebensunterhalt aus seiner selbständigen Tätigkeit bestreiten kann. Von daher muss man bereit sein, nebenher noch woanders zu arbeiten.

Haben Sie noch ein, zwei Tipps parat für andere Selbständige in der Kultur- und Kreativwirtschaft?

Karsch: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, seine Ideen und Ziele klar zu definieren und sich darauf zu konzentrieren, dabei aber trotzdem flexibel zu bleiben. Als kleines Unternehmen oder freiberuflich Selbständige hat man den Vorteil, sehr flexibel und schnell auf einen wechselnden Markt oder ein interessantes Angebot zu reagieren, weil man nicht wie ein großes Unternehmen an Hierarchien und aufwändige interne Strukturen gebunden ist.

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