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15.11.2021 -

„Ich habe mich schon während meines Studiums als Unternehmer und Gebrauchsgrafiker verstanden.“ Interview mit Paul Jokisch, Diplom-Designer und Mediengestalter für Digital- und Printmedien, Inhaber von „Studio Reduzieren“.

Einleitung

Interview mit Paul Jokisch, Diplom Designer und Mediengestalter für Digital- und Printmedien, Inhaber von „Studio Reduzieren“

© Marco Fischer / studiomarcofischer.com

Die Zeiten als Paul Jokisch noch „Klinken putzen“ musste, um Aufträge zu bekommen, sind schon eine ganze Weile vorbei. Inzwischen klopfen die Kunden von selbst bei ihm an. Der Diplom-Designer hat sich mit seinem Studio Reduzieren gut etabliert, nicht zuletzt weil er viele der typischen Herausforderungen, mit denen Designerinnen und Designer zu kämpfen haben, gut meistern konnte.

Herr Jokisch, Sie haben vor 20 Jahren ihr Designstudio Reduzieren in Erfurt eröffnet. Was hat sich seitdem verändert?

Jokisch: Ich erlebe vor allem einen ständigen Wandel der Werkzeuge, mit denen wir arbeiten, und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten. Unsere Software verändert sich ständig. In den letzten fünf Jahren sind zum Beispiel immer mehr cloudbasierte Lösungen hinzugekommen. Nichtsdestotrotz ist die Herangehensweise an die Arbeit eigentlich unverändert geblieben. Grundlage ist immer das Einmaleins des Designhandwerks und die Orientierung am Kunden.

Sind Sie auf bestimmte Designs oder bestimmte Kunden spezialisiert?

Jokisch: Jein, eigentlich bin ich auf Paperart, Papierverdelung und Papierdesign spezialisiert. Im Laufe der Zeit sind aber auch crossmediale Gestaltungskonzepte hinzugekommen. Wir sitzen ja hier in Erfurt ein bisschen in der Provinz. Von daher hat es sich bewährt, breit aufgestellt zu sein. Ob Schokoladenhersteller, Sparkassen oder Filmproduktionsgesellschaften: Mein Kundenportfolio ist sehr vielfältig. Das schafft Abwechslung und macht Spaß.

Wenn Sie von „Wir“ sprechen: Wer ist Ihr Team?

Jokisch: Das ist ein wechselndes Team. In der Regel besteht es aus zwei freien Mitarbeitenden und einem Praktikanten. Darüber hinaus gehört mein Studio seit 16 Jahren zu einer Bürogemeinschaft mit einem Architekten, so dass hier auch immer wieder gemeinsame Projekte entstehen, weil wir ähnliche Kundenkreise bedienen. Neuerdings arbeiten in unseren Räumen auch Ausstellungsgestalter, mit denen sich ebenfalls Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben haben.

Man kann sagen, Sie haben sich als Designer etabliert und sind recht erfolgreich.

Jokisch: Ich würde sagen, ich habe mir einen ganz guten Ruf erarbeitet. Aber ich bin auch ein Arbeitstier. Ich will, dass es funktioniert. Ich buttere da rein und gehe nicht nach Schema F vor. Ich kann also mit einer gewissen Qualität glänzen und dadurch auch eine gewisse Klientel hier in Thüringen und zum Teil auch überregional ansprechen. Inzwischen bin ich auch nicht mehr auf Initiativbewerbungen angewiesen. In seltenen Fällen beteilige ich mich noch an Ausschreibungen, aber nur, wenn es eine Vergütung dafür gibt oder zumindest eine Aufwandsentschädigung. In der Regel bekomme ich Anfragen aufgrund von Empfehlungen. Das ist ein großes Glück.

Gab oder gibt es denn auch Hürden, mit denen Sie zu kämpfen haben?

Jokisch: Natürlich gibt es die. Ich habe mich zum Beispiel häufig darüber geärgert, dass im Grunde jede und jeder einfach irgendeine Design-Software auf seinen Rechner laden und sich tausend Schriften irgendwoher kostenlos besorgen kann und dann sagt: Hey, ich bin Designer. Dadurch entstehen Dumpingangebote gegen die man dann als professioneller Designer konkurrieren muss. Ich kaufe zum Beispiel die Schriften zum regulären Preis, weil ich damit auch einen gewissen Respekt gegenüber demjenigen zeige, der die jeweilige Schrift entwickelt hat. Das gilt auch für die Software. Hinzu kommen Beiträge an die Kranken- und Rentenversicherung, Miete für die Wohnung usw. Ich muss also ein Honorar fordern, das alle Lebenshaltungs- und Bürokosten deckt. Das wurde uns glücklicherweise schon an der Bauhaus Universität beigebracht. Aber Billigangebote von Möchte-gern-Designern sind natürlich eine Herausforderung. Da würde ich mir wünschen, dass die Berufsbezeichnung „Designer“ stärker geschützt und der Marktzugang reguliert wird.

Sie verstehen sich als Unternehmer?

Jokisch: Auf jeden Fall. Auch wenn ich in die Rolle erst reinwachsen musste. Aber ich habe mich schon während meines Studiums – so wie viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen – als Unternehmer und als Gebrauchsgrafiker verstanden und nicht als Künstler, auch wenn ich wie ein Künstler arbeite, also mit viel Leidenschaft und großer Intensität. Es ist einfach ein Balanceakt, künstlerischen Anspruch und Kundenwünsche unter einen Hut zu bringen.

Haben sich Ihre Aufgaben als Unternehmer im Laufe der Jahre verändert?

Jokisch: Ja, ich arbeite in den letzten drei Jahren vermehrt mit anderen selbstständigen Designerinnen und Designern zusammen. Das bedeutet, ich koordiniere inzwischen mehr, als dass ich selbst an Designaufgaben arbeite. Das Abgeben von Aufgaben ist dabei immer wieder eine große Herausforderung. Als junger Designer macht man ja erst einmal alles selbst, aber dann kommt irgendwann der Break, wo man bestimmte Arbeiten abgeben und verteilen muss, sonst kommt man nicht weiter. Mittlerweile können wir so auch größere Kunden bedienen.

Welche weiteren Tipps können Sie jungen Designerinnen und Designern geben?

Jokisch: Ich kann nur dazu raten, sich vor Vertragsabschluss mit einem Kunden die Honorarkalkulation und den genauen Leistungsaufwand genau anzusehen. Geklärt werden muss außerdem, wie eventuell darüberhinausgehende Leistungen vergütet werden. Ganz wichtig ist auch die Frage, was zu tun ist, wenn bestimmte Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Eine intensive juristische Beratung ist daher gut angelegtes Geld, auch die Berufsverbände bieten ganz gute Informationen für den Einstieg an. Natürlich kann man als freiberuflicher Designer in den seltensten Fällen einen Rechtsstreit mit seinem Kunden ausfechten. Trotzdem bietet ein sauberer Vertrag eine gewisse Sicherheit – für beide Seiten.

Zu guter Letzt würde ich sagen, dass es einem hilft, Ideale zu haben, denen man treu bleibt. Die geben einem bei aller Flexibilität, die der Beruf erfordert, wichtigen Halt.

Stand: Oktober 2021