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14.02.2022 -

„Unter dem Strich hat die GmbH-Gründung bei uns zur unternehmerischen Professionalisierung beigetragen.“ Interview mit Verena Maas und Sebastian Züger, Gründungsteam der tvist GmbH

Einleitung

Verena Maas und Sebastian Züger, Gründungsteam der tvist GmbH

Verena Maas und Sebastian Züger, Gründungsteam der tvist GmbH

© Carlos Fleischer

Veränderungen anschieben und die Welt etwas besser machen. Dieses Ziel haben sich die Filmproduzentin Verena Maas und der Journalist Sebastian Züger gesetzt. Dazu haben sie 2020 die tvist GmbH in Köln gegründet. Mit der Gründung der GmbH hat sich das unternehmerische Selbstverständnis der beiden ehemaligen Solo-Selbständigen verändert.

Frau Maas, Herr Züger, Sie widmen sich vor allem dem Thema Transformation. Worum geht es genau?

Maas: Wir machen Filme über den Wandel der Gesellschaft, den Wandel in den Städten, auf dem Land. Damit setzen wir uns schon sehr lange auseinander. Einfach gesagt, wollen wir mit dem, was wir da zeigen, etwas in Gang setzen, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Wir hatten zuvor bereits einen Web-Blog über das Thema Transformation ins Leben gerufen: über Kölnerinnen und Kölnern, die ihre Stadt positiv verändern möchten. Dafür haben wir eine Anschubfinanzierung von der Stadt Köln im Rahmen des Förderprogramms SmartCity Cologne GO erhalten.

Züger: Damals waren wir beide noch als Solo-Selbständige unterwegs. Verena hat damals schon Videos produziert und ich kam als Journalist mehr von der Textseite, hatte aber auch schon Erfahrungen im Filmbereich gemacht. Nachdem dann unser Web-Blog so gut angekommen war, haben wir uns kurzerhand zusammengetan. Das war vor etwa zwei Jahren.

Für wen produzieren Sie Ihre Filme?

Maas: Zu unseren Auftraggebern gehören überwiegend Ministerien, Stiftungen oder auch Kommunen. Für die produzieren wir etwa zehnminütige Videos, in denen wir Beispiele von Wandlungsprozessen in den Bereichen Stadtentwicklung, Klima oder auch Soziales vorstellen. Dafür eignet sich das Medium Film sehr gut, weil es zum Teil langjährige Entwicklungen auf den Punkt bringt.

Züger: Darüber hinaus haben wir im letzten Jahr unseren ersten eigenen Spielfilm realisiert. Ein Kurzfilm über das Leben einer Familie in einer zukünftigen Pandemie. Dafür haben wir eine Förderung von der Film- und Medienstiftung erhalten.

Ein Kassenschlager ist Ihr Kurzfilm aber noch nicht, oder?

Züger: Das ist natürlich schwierig. Kurzfilme gelten als Einstieg in den fiktionalen Bereich und werden gefördert. Es gibt auch eigene Festivals, wie zum Beispiel die Oberhausener Kurzfilmtage oder die Internationalen Filmfestspiele in Hof, auch die Berlinale zeigt Kurzfilme. Aber Geld verdient man eigentlich nicht damit. Deswegen spielt die Förderung so eine wichtige Rolle. Die dient natürlich auch dazu, Strukturen und Netzwerke aufzubauen, um Leute kennenzulernen, mit denen man irgendwann auch einen Langfilm oder eine Serie drehen kann, die dann auch Geld einspielen.

Nachdem Sie sich zusammengetan haben, hatten Sie zunächst eine GbR. Die haben Sie dann 2020 in eine GmbH umgewandelt. Warum?

Züger: Da gab es jede Menge Impulse. Wir haben immer wieder gemerkt, dass man mit einer GmbH oft besser fährt. Es gibt zum Beispiel sehr viele Ausschreibungen, an denen man sich nur als GmbH beteiligen kann. Hinzu kommt, dass es einem bei einer Filmproduktion mit einem Budget von 100.000 Euro und mehr schon etwas mulmig werden kann, wenn man dafür in die private Haftung geht.

Maas: Wir wurden damals durch das Gründerstipendium NRW gefördert und durch Coachings und Beratungsgespräche unterstützt, so dass wir die GmbH-Gründung relativ schnell durchziehen konnten. Außerdem hatten wir genug auf der „hohen Kante“, um direkt eine GmbH und nicht erst eine UG zu gründen.

Hat sich mit der GmbH-Gründung auch Ihr unternehmerisches Selbstverständnis geändert?

Maas: Ich glaube schon, dass das unternehmerische Denken bei uns mehr in den Vordergrund gerückt ist. Wir sind ja beide viele Jahre freiberuflich als Solo-Selbständige unterwegs gewesen. Aber Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin einer GmbH zu sein, fühlt sich schon anders an. Ich gehe zum Beispiel ganz anders an Verhandlungen heran, seitdem ich nicht nur mich selbst, sondern die GmbH insgesamt vertrete. Durch die GmbH entsteht ein gewisser Abstand zur Person. Da kann man anders argumentieren. Sicher: Bei einer GmbH muss man sich um sehr viel mehr kümmern, als wenn man einfach nur Freiberuflerin ist. Buchhaltung und Jahresabschluss müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Es gibt ein eigenes GmbH-Recht usw. Aber unter dem Strich hat die GmbH-Gründung bei uns zur unternehmerischen Professionalisierung beigetragen.

Züger: Dazu gehört, dass wir seit Oktober unseren ersten Angestellten haben. Und wenn es weiter nach Plan läuft, wird das auch nicht der letzte bleiben. Die Möglichkeit zu haben, Arbeit abzugeben und trotzdem verbindlich zusammenzuarbeiten, schätze ich sehr.

Sie hatten auch Kontakt zu Creative.NRW?

Züger: Ja, das war wirklich eine ganz konkrete Unterstützung. Allein, dass wir auf der Webseite von Creative.NRW vorgestellt wurden, war enorm hilfreich. Das Team kennen wir ja noch aus der Zeit, in der wir an unserem Blog gearbeitet haben.
Das ist so ein Kontakt, den wir auch heute noch immer wieder nutzen.

Maas: Mir helfen zum Beispiel die Blogbeiträge von Creative.NRW: Wer in der Szene oder in NRW macht welches Projekt mit wem? Was gibt es für Angebote? Wo kann man sich bewerben? Ich finde, dass die eine gute Sichtbarkeit für kreative Projekte in NRW schaffen.

Sie haben gut zu tun. Wie akquirieren Sie Ihre Aufträge?

Maas: Wir schauen uns regelmäßig die diversen Ausschreibungsplattformen an. Da reicht man dann fünf Angebote ein, von denen vielleicht eines den Zuschlag bekommt. Das ist alles relativ zeitaufwendig, aber wir machen das trotzdem. Abgesehen davon hatten wir bisher das Glück, seit unserem Start so einen richtigen Lauf zu haben. Zum Beispiel haben sich Kundinnen und Kunden, für die ich schon als Solo-Selbständige gearbeitet habe, gemeldet. Oder sie empfehlen uns weiter. Und tatsächlich gibt es auch Auftraggeber, die von sich aus bei uns anklopfen. Das ist natürlich großartig. Es läuft viel über Mund-Propaganda. Wenn man zum Beispiel im Bereich Städtebau-Entwicklung arbeitet, bewegt man sich ja eher in einer Nische. Die Zielgruppe ist also überschaubar, so dass man sich einfach nach einer gewissen Zeit kennt. Das gilt auch für die Kulturbranche. Wir arbeiten zum Beispiel für Künstlerinnen und Künstler in Köln, die sich in einem Video präsentieren möchten. Das läuft ganz gut.

Gibt es ein, zwei Tipps, die Sie anderen Kulturschaffenden in puncto Selbstständigkeit geben können?

Züger: Gerade am Anfang nimmt man natürlich lieber einen Auftrag zu viel als zu wenig an. Das führt dann oft dazu, dass man sich überfordert fühlt oder sich verzettelt. Von daher ist es umso wichtiger, dass man sich hin und wieder die Zeit nimmt und sich bewusst macht, welches Ziel man eigentlich verfolgt. Wir wollen zum Beispiel nicht nur Fünfminüter, sondern auch mal einen abendfüllenden Spielfilm oder eine Dokumentation produzieren. Wir wollen unsere künstlerischen Ideen umsetzen und unsere GmbH sehen wir dabei als Instrument, das uns dabei hilft.

Züger: Mein Tipp wäre, sich eine Mentorin oder einen Mentor zu suchen. Ich habe mich zum Beispiel früher nie coachen lassen. Ich bin so ein Typ, der probiert die Sachen aus und dann klappen sie oder eben nicht. Verena hat aber von Anfang an eine Coachin an Bord geholt, die dann auch wirklich die richtigen Fragen gestellt hat. Das war nicht immer angenehm, aber es hat unglaublich viel gebracht. Mit ihrer Hilfe haben wir es auch in das Programm des Mediengründerzentrums NRW geschafft,

Maas: Überhaupt haben wir mit vielen Menschen gesprochen, die uns wirklich die Augen geöffnet haben. Von daher ist es einfach ganz wichtig, Fragen zu stellen. Immer wieder. Wenn man so Stories von Gründerinnen und Gründer liest, entsteht ja oft der Eindruck, dass die ersten Jahre ganz linear und nach Plan gelaufen sind. Aber so ist das nicht. Das ist iterativ: Schritt für Schritt, immer wieder vor und zurück.

Stand: Dezember 2021