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16.08.2022 -

„Die Auszeichnung mit dem Deutschen Wirtschaftsfilmpreis gehört zu den vielen Puzzleteilen, die dazu beitragen, dass man wahrgenommen wird.“ Interview mit Felix Reichert, quadratkollektiv

Einleitung

Felix Reichert

© Katharina Pflug

Vor gut fünf Jahren haben Felix Reichert und Leonard Billeke quadratkollektiv gegründet. Dahinter verbirgt sich eine kreative Filmproduktion und ein 3D Studio. Inzwischen sind die beiden Absolventen der TH Nürnberg mit ihren Werbe- und Imagefilmen ziemlich erfolgreich. Trotzdem waren sie überrascht, als einer ihrer Kinospots beim Deutschen Wirtschaftsfilmpreis 2021 als bester Beitrag in der Kategorie „Nachwuchsfilm“ ausgezeichnet wurde.

Herr Reichert, Sie produzieren Werbe- und Imagefilme. Was für Filme sind das?

Reichert: Wir machen das ganze Programm: Realfilme, animierte Filme, 3D-Filme usw. Wichtig ist uns dabei immer, durchdachte und intelligente Geschichten zu erzählen. Das scheint sich inzwischen auch herumgesprochen zu haben, denn unser Kundenkreis ist mittlerweile ziemlich breit aufgestellt. Dazu gehören große Sportartikelhersteller, Industriebetriebe, Dienstleister und andere Unternehmen aus dem In- und Ausland.

Sie haben gemeinsam mit Leonard Billeke an der TH Nürnberg Design mit dem Schwerpunkt Film und Animation studiert. Wissen Sie noch, wie ihr Start in die berufliche Selbständigkeit nach dem Studium verlief?

Reichert: Wir haben schon während unseres Studiums an der TH Nürnberg immer viel nebenher gearbeitet und Auftragsarbeiten im Bereich Film übernommen. Insofern war das ein fließender Übergang.

Aber wo haben Sie das unternehmerische Handwerkszeug gelernt?

Reichert: Es gab damals an der TH Nürnberg ein Wahlpflichtfach Existenzgründung, das zum Ende des Studiums angeboten wurde. Das ging über ein Semester und war quasi wie eine gratis Unternehmensberatung. Wir hatten eine sehr kompetente Dozentin, die uns über die Künstlersozialkasse, Rechtsformen, Steuern und viele andere wichtige Themen informiert hat.

Sie haben während Ihres Studiums erste Aufträge bearbeitet und hatten dadurch schon Kunden. Haben Sie sich nach dem Studium noch einmal gezielt um neue Kundenkontakte gekümmert?

Reichert: So richtige Akquise haben wir nie gemacht. Bei uns ist es tatsächlich immer so gewesen, dass uns jemand weiterempfohlen hat oder bestehende Kunden Folgeaufträge erteilt haben. So ist dann unser Netzwerk an Kunden stetig gewachsen.

Sie haben sich 2021 für den Deutschen Wirtschaftsfilmpreis beworben. Was waren die Gründe dafür?

Reichert: Wir hatten bei einem befreundeten Produzenten gesehen, dass der im Vorjahr dort ganz gut „abgeräumt“ hatte. Das war natürlich sehr verlockend. Also haben wir - unser freier Mitarbeiter Johannes Zenk und ich - es versucht und waren dann doch ganz schön überrascht, als wir in der Kategorie „Nachwuchspreis“ auf dem ersten Platz landeten. Über die 10.000 Euro haben wir uns natürlich sehr gefreut.

Um was ging es in Ihrem Film?

Reichert: Das war ein 30 Sekunden langer Clip. „Komm in die Pflege“ sollte als Kinowerbespot für die Ausbildung in der Pflege werben. Ursprünglich handelte es sich um eine Auftragsarbeit für einen großen Arbeitgeber aus der Pflegebranche. Dem war unser Spot aber zu provokativ, so dass er sich dagegen entschieden hatte. Um ihn einfach in der Schublade verschwinden zu lassen, war er uns aber zu schade. Also haben wir ihn beim Deutschen Wirtschaftsfilmpreis eingereicht.

Wie würden Sie denn das Bewerbungsverfahren beschreiben? War das sehr aufwändig?

Reichert: Wir haben schon an vielen nationalen und internationalen Filmfestivals teilgenommen und sind mit den Prozessen gut vertraut. Von daher würde ich sagen, dass die Teilnahme am Wirtschaftsfilmpreis die wahrscheinlich unbürokratischste war. Normalerweise ist es so, dass man jede Menge Formulare ausfüllen muss, manchmal auch mehrfach. Beim Wirtschaftsfilmpreis brauchten wir nur ein Online-Formular auszufüllen und den Video-Link anzugeben. Das war’s. Teilnahmegebühren gab es auch nicht. Es war alles in allem schon ziemlich barrierefrei.

Sie haben einen Geldpreis gewonnen. Aber der Deutsche Wirtschaftsfilmpreis ist ja auch mit einem gewissen Renommee verbunden. Merken Sie davon etwas?

Reichert: Wir können jetzt nicht sagen, dass uns die Kunden die Tür einrennen, weil wir den Wirtschaftsfilmpreis gewonnen haben. Aber die Auszeichnung gehört zu den vielen Puzzleteilen, die dazu beitragen, dass man wahrgenommen wird. Ähnlich ist es, wenn wir für einen großen und namhaften Kunden ein spannendes Filmprojekt bearbeiten.

Haben Sie bei der Preisverleihung auch Leute kennengelernt, die für Sie interessant sind?

Reichert: Leider nicht. Das lag aber auch daran, dass die Preisverleihung coronabedingt nur virtuell stattfand. Wir haben aber demnächst eine wirklich tolle Chance, super interessante Leute kennenzulernen, weil wir als Gewinner aus dem Vorjahr zur Jury für die aktuelle Wettbewerbsrunde gehören. Die anderen Jurymitglieder kommen aus Rundfunkanstalten, Verbänden und Produktionsunternehmen, wie zum Beispiel Netflix. Im September treffen wir uns und werden ein Wochenende lang alle gemeinsam die eingereichten Filme ansehen und darüber diskutieren. Darauf freuen wir uns sehr.

Kommen wir zu einem anderen Thema: die Herausforderungen der beruflichen Selbstständigkeit. Welche würden Sie da nennen?

Reichert: Auch wenn wir die Phase schon hinter uns haben, würde ich trotzdem sagen, dass die Anfangszeit nicht einfach ist. Da stellt man sich immer wieder die Frage, ob das jetzt der richtige Weg ist. Man merkt, wie sehr man darauf angewiesen ist, dass immer wieder neue Aufträge reinkommen. Nur: in den ersten Jahren gibt es immer wieder Auftragslücken, da herrscht dann Leerlauf. Uns war damals schon klar, dass es Zeit braucht, deswegen sind wir da nie in Panik verfallen. Aber man muss schon lernen, cool zu bleiben. Inzwischen haben wir diese Phase hinter uns gelassen und machen unseren Job wirklich gerne. Wir kommen viel in der Welt herum, wir können spannende Themen umsetzen und treffen interessante Leute. Deswegen ist die Selbständigkeit bei uns sehr positiv besetzt. Ich glaube, für uns wäre es die größte Herausforderung, jeden Tag irgendwo als Angestellte beim immer gleichen Arbeitgeber auf der Matte zu stehen.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit beeinträchtigt?

Reichert: Überraschenderweise ist diese ganze Corona-Sache für uns sehr glimpflich verlaufen. Es war für uns nicht weiter dramatisch, dass es weniger zu tun gab. Und 2021 war sogar mit großem Abstand unser bestes Jahr. Alles, was 2020 auf der Strecke geblieben war, kam dann doppelt und dreifach zurück. Wir können uns also nicht beklagen.

Noch ein Tipp für andere angehende Selbständige in Ihrer Branche?

Reichert: Ich glaube, in unserer Branche kann man viel ausprobieren, weil die Fallhöhe nicht so hoch ist. Man kann mit sehr einfachen digitalen Mitteln Filme machen. Es braucht also nicht viel, um seine ersten Aufträge abzuwickeln. Wenn es dann aufgeht und es einem Spaß macht, ist das eine tolle Sache. Deswegen würde ich sagen: Einfach ein bisschen mutig sein und das machen, worauf man Lust hat.

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