Diese Innovationspartnerschaft zum Thema Prävention – so steht es hier im Programm. Wer hat die initiiert? Wer ist auf wen zugegangen?
Nele Groeger: Tatsächlich war es so, dass wir mehr oder weniger vom Kompetenzzentrum zusammengeführt worden sind. Das Experiment bestand schon allein darin, dass man drei ganz unterschiedliche Partner aus unterschiedlichen Branchen, aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern zusammengebracht hat.

Wer ist wir?
Nele Groeger: Ich bin Nele Groeger, und ich bin Teil der SHITSHOW, Agentur für psychische Gesundheit, gemeinsam mit Johanna Dreyer und mit Luisa Weyrich.
Elke Stärk: Dann gibt es die ALIUD-Pharma aus Laichingen. Wir sind ein Industrieunternehmen in der Pharmabranche. Unsere Geschäftsleitung wurde angefragt, ob wir bei dem Projekt mitmachen möchten, weil das vielleicht mal ganz interessant ist, auch jemand aus dem Industriesektor dazu zu nehmen. Wir bei der ALIUD sind jetzt ein Team mit ca. sechs bis sieben Leuten, die da mitarbeiten.

Du bist die Dritte im Bunde?
Kristina Wilms: Ja, genau. Ich bin Kristina Wilms, die Dritte im Bunde. Ich arbeite momentan selbständig im Bereich Digitalisierung und Innovation, formell eigentlich meistens im Bereich Gesundheit.

Wie habt Ihr Euer Projekt gestartet?
Nele Groeger: Das war so: Wir haben uns zu einer Art Kick-off-Treffen getroffen, bei dem wir uns kennengelernt haben und dann relativ bald auch ans Arbeiten gekommen sind und dann gemeinsam entschieden haben, wie wir den Prozess gemeinsam gestalten. Es war mehr oder weniger ein Geben und Nehmen. Wir haben beim ersten Treffen festgelegt, oder es war schon vorher klar, dass wir an dem Themenfeld Prävention arbeiten wollen und wie wir das machen wollen. Wir sind dann erstmal ins Feld gegangen, haben viele Fragen gestellt und haben uns dann quasi diesen Zeitplan, den Projektplan, selber entwickelt.

Was war denn das Ziel? Prävention ist ja nun ein weites Feld.
Nele Groeger: Ziel war und ist immer noch innovative Lösungen, seien es Produkte, Services oder auch nur Ideen, Impulse im Bereich der Prävention zu entwickeln. Prävention ist ja ein extrem weites Feld, das stimmt. Wir haben es jetzt eingegrenzt, schon am ersten Treffen, auf Primärprävention. Das heißt, die Prävention, die wirklich dort stattfindet, bevor noch irgendjemand erkrankt ist. Es gibt ja die Sekundärprävention beispielsweise, die sich darum kümmert, wenn man erkrankt ist, dass es nicht schlimmer wird oder die Tertiärprävention, dann die Rückfallprävention. Aber wir wollten eben genau überlegen, wie können wir eigentlich die Prävention von Erkrankungen, seien es psychische oder auch physische Erkrankungen, innovieren oder revolutionieren – was für Möglichkeiten gibt es da. Richtig, das war der Ausgangspunkt.

Welchen Input habt ihr da mit einbringen können ins Team?
Nele Groeger: Wir von der SHITSHOW sind ja eine Agentur für psychische Gesundheit, die sich unter anderem auch um den Bereich der Innovationsbildung, der Innovationsentwicklung im Bereich der psychischen Gesundheit kümmert und da Lösungen entwickelt. Wir sind da reingegangen mit einem Werkzeugkoffer von Innovations- und Kreativtechniken, die wir mit ins Feld gebracht haben. Dann habt ihr natürlich noch euer Fachwissen mit eingebracht, von der ALIUD-Pharma und Christina auch ihr Innovations-Know-how. Das waren so die Dinge, die wir mit eingebracht haben.

Was hat für euch gepasst, was die SHITSHOW-Partner mit einbringen können?
Elke Stärk: Wir sind ein Generika-Unternehmen, und auch wir hatten uns zu Anfang gefragt, was dieses Projekt uns bringen kann oder warum wir da mit einsteigen. Für uns als Unternehmen ist es halt ... man stößt beim täglichen Arbeiten auch oft an Grenzen, und wir sind ein Unternehmen, das sich auf die Fahne geschrieben hat, sehr agil zu arbeiten und neue Wege zu gehen. Der Name allein sagt das schon. Aliud heißt „anders“ auf Lateinisch. Das befolgen wir, seit es das Unternehmen gibt. Wir sind immer daran interessiert, neue Methoden kennenzulernen, neue Beziehungen aufzubauen und nicht einfach nur den geraden Weg zu gehen, sondern wir arbeiten immer auch an neuen Ideen, wie wir uns abgrenzen können von den Wettbewerbern, mit neuen Ideen und neuen Impulsen. Deswegen war das auch sehr interessant. Und wo wir sehr profitieren können von den anderen zwei Teams ist natürlich, dass die aus dem kreativen Bereich kommen und auch mal ganz andere Sichtweisen haben wie wir als Pharmaunternehmen. Das zusammengespielt, denke ich, gibt ein ganz gutes Match.

Wir stoßen immer wieder an unsere Grenzen: Was sind das für Grenzen?
Elke Stärk: Zum einen sind wir ein Unternehmen, das zu einem großen Konzern gehört. Es gibt rechtliche und Rahmenbedingungen, die wir einzuhalten haben. Zum anderen gibt es immer wieder Grenzen auch gesetzlich, welche Vorgabe es einfach gibt, Medikamente zu vermarkten. Wir sind da einfach ein bisschen eingegrenzt. Zum anderen ... wir sind sehr viel in Krankenkassen-Ausschreibungen tätig. 80 Prozent von unserem Umsatz machen wir darüber. Aber wir wissen auch nicht, wie das zukünftig oder langfristig in der Politik beibehalten wird. Wir sind einfach von ganz vielen Rahmenbedingungen abhängig. Wir wissen nicht, wie die Krankenkassenausschreibungen in der Zukunft aussehen werden. Deswegen sind wir immer interessiert, neue Absatzmärkte, neue Ideen zu schaffen, wie wir und zukünftig langfristig aufstellen können.

Kristina, was ist deine Rolle in dem Team?
Kristina Wilms: Ich bin im Team auch, ähnlich wie die SHITSHOW als Impulsgeber mit für das Thema Digitalisierung und psychische Gesundheit. Ich hatte vorher ein Unternehmen, wo wir eine App entwickelt haben für Menschen mit Depressionen. Wir hatten einen Verein, um gegen Stigmatisierung zu kämpfen. Das heißt, ich bin sehr interessiert an systemischen Ansätzen, die systemverändernd wirken. Damit beschäftige ich mich einfach sehr gerne, um zu schauen, wenn wir das System in sich verändern würden, was würde dann passieren und welche Lösungen müssten wir dann eigentlich denken? Das heißt, ich grabe gerne sehr tief.

Hast du schon was gefunden? Gibt es schon Ergebnisse in diesem gemeinsamen Prozess?
Kristina Wilms: Wir hatten ein sehr langes Treffen vor zwei Wochen ungefähr. Aliud war in Berlin und wir haben uns für einen Tag zusammengesetzt und mal geschaut, was wollen wir eigentlich. Spannende Dinge, die für mich persönlich sehr spannend waren, war die Frage danach, warum gibt es den Begriff Prävention überhaupt. Prävention bedeutet, wir wollen etwas vorbeugen. Das heißt, leben wir in einem System, das dazu führt, dass wir sowieso krank werden – da brauchen wir den Begriff. Wie würde ein System aussehen, in dem es diesen Begriff gar nicht gäbe, weil er nicht nötig wäre.

Habt ihr denn eure Grenzen schon erweitern können? Zeichnet sich da etwas ab, wo ihr sagt, ja, das funktioniert, das ist eine gute Idee?
Elke Stärk: Wie Christina gerade schon gesagt hat, wir haben ja schon das Ergebnis – das war ja auch die Idee von diesem ganzen Experiment –, dass das Ergebnis mal offen ist zu Beginn. Wir haben jetzt während des Prozesses schon gemerkt, dass wir ganz viele Themen, weil Prävention ja so ein großer Begriff ist, ... dass wir erstmal schauen mussten, welche Sparten, welche Clusterung gibt es da überhaupt. Da haben wir schon durch viele Fragestellungen einfach ganz viele unterschiedliche Themenbereiche geöffnet. Und das war auch für uns als Pharmaunternehmen sehr interessant, weil einfach auch mal andere Sichtweisen gesehen wurden, und natürlich habe wir da schon ein offeneres Feld erkannt, wie wir jetzt vielleicht bei uns einfach nur im Unternehmen denken. Denke, dazu ist es auch ganz wichtig, dass man da rauskommt aus dem Unternehmen, mit anderen Leuten zusammenkommt. Das war sehr interessant. Wir haben auf jeden Fall schon mal über den Tellerrand geschaut und sind jetzt dabei zu clustern und zu sehen, was können wir für alle Parteien weiterspinnen in diesem Bereich.

Welchen Eindruck hast du, wie euer Input in diesem Prozess sein kann oder schon ist?
Nele Groeger: Ich habe einen ziemlich guten Eindruck. Ich habe das Gefühl, dass immer, wenn wir uns treffen, dass der Prozess sich enorm beschleunigt und dass wir auf gute Ideen kommen. Wir saßen jetzt gerade erst einmal zehn Minuten zusammen und haben eigentlich schon die Ergebnisse von vor zwei Wochen relativ gut zuspitzen können. Ich glaube, dass es heute auch noch mal eine ganz gute Richtung gehen wird. Ich bin da sehr zuversichtlich.

Vielleicht ein Beispiel für so ein Ergebnis?
Nele Groeger: Wir haben den Impuls von Christina aufgegriffen gerade, wo es darum ging, wie können wir eigentlich Prävention möglichst menschzentriert denken und weniger von den Interessen einzelner Stakeholder. Dafür möchten wir gerne in den nächsten Tagen eine Methodik anwenden, wo wir die Stakeholder, die sich im Bereich Prävention im Gesundheitssystem, im Gesundheitswesen zusammenfinden, dass wir die einfach mal wirklich örtlich zusammenbringen und eine Art Aufstellung machen. Es gibt da eine ganz interessante Methode, die Christina mit ins Feld gebracht hat. Christina, vielleicht kannst du da auch noch kurz was sagen?
Diese Methode nennt sich Social Presencing Theater, und es geht vor allen Dingen darum, Systeme aufzustellen, also mit Repräsentanten, Menschen, die nichts mit einer Krankenkasse z.B. zu tun haben müssen, die das aber einfach darstellen und dann die Beziehungen zu einander darstellen, um dann zu schauen, was würde denn passieren, wenn sich die Beziehungen ändern würde, wenn jemand anderes dazukäme, wenn jemand anderes wegginge, um so einen Überblick zu bekommen, wie wir uns da bewegen und wer welche Rolle spielt, um von dort aus weiterzuschauen, was wären denn dann Handlungsfelder, Themen, Dinge, die wir tun könnten.

Gibt es eine Vision, was ein anderes Handlungsfeld oder ein verändertes Verhalten sein könnte?
Nele Groeger: Eine Idee, die wir hatten, das war nur in die Tonne gesprochen und ein bisschen gesponnen: Das war die Präha, die umgedrehte Form der Reha. Da geht es wirklich darum, Prävention im Gesundheitssystem institutionell zu verankern, indem man Orte, Räume schafft, wo Menschen schon frühzeitig und angeleitet präventiv handeln können und sich um ihre eigene Gesundheit kümmern können. Wir haben mit dem Gedanken gesponnen, wie es wäre, Institutionen zu schaffen, die Prävention möglich machen, weil, gerade ist unser Gesundheitssystem ja sehr auf Krankheit ausgerichtet. Es gibt Krankenhäuser, es gibt Krankenkassen – was ist eigentlich, wenn wir dieses Prinzip umdrehen würden und Orte dafür schaffen, dass Menschen sich voll und ganz ihrem Gesundheitserhalt widmen können. Das ist zum Beispiel ein relativ anschauliches Beispiel dafür.