Team: Julian Adenauer (Retune Creative Technology GmbH, Kunsthochschule Berlin Weißensee), Frederic Gmeiner (FELD Studio for Digital Craft, American University of Sharjah), Paul Lier (WECAP), Moritz Simon Geist (Sonic Robots), Johannes Richers (Experte für Wissenschaftskommunikation)

Ihr vertretet hier das Experiment Happy Tech. Könnt ihr kurz sagen, wer ihr seid?

Julian Adenauer: Ich bin Julian Adenauer, ich leite seit 2012 ein Festival, das sich mit der Schnittstelle von Kunst, Design und Technologie beschäftigt, namens Retune.

Johannes Richers: Mein Name ist Johannes Richers, ich bin promovierter Wissenschaftler und Freelance Designer, Dozent an der TU Berlin und Artist in Residence bei der Factory in Berlin.

Nun habt ihr ja noch andere Partner im Projekt, die nicht mit am Tisch sitzen. Könnt ihr die noch kurz vorstellen?

Julian Adenauer: Noch im Team ist Paul. Paul ist Teil einer Firma, die WECAP heißt, die machen vor allem Video-Dokumentationen von Veranstaltungen, machen Livestreaming und Recap-Videos von Veranstaltungen. Außerdem ist er der technische Leiter der re:publica-Konferenz. Dann haben wir noch Frederik im Team, der ist momentan Professor in Schardscha, das ist neben Dubai ein Emirat, und ist da Professor für digital Technologien und unterrichtet da eben Design-Studenten, wie sie mit neuen Technologien umgehen. Außerdem hat er hier in Berlin ein Design-Studio namens FELD.

Was treibt euch um? Was hat euch zusammengebracht?

Julian Adenauer: Wir sind eins der drei Experimente, die hier im Rahmen des Refraiming Innovation Projekts gefördert werden. Wir beschäftigen uns damit, wie man kreative technologische Experimente in Produkte überführt. Das klingt ein bisschen abstrakt. Wir machen es an einem Beispiel fest. Aus meinem Hintergrund als Festival-Leiter arbeite ich viel mit Künstlern und Kreativen zusammen, die mit neuen Technologien spannende Installationen machen und damit eben viel herumexperimentieren mit Künstlicher Intelligenz, mit Virtual Reality, mit Robotik und solchen Dingen. Oft haben die Kreativen aber dann nicht so richtig die Möglichkeit, das zu monetarisieren, ihre Projekte. Unsere Idee ist eigentlich, eben genau diese Monetarisierungsplattform zu schaffen, also mit Künstlern und Kreativen zusammenzuarbeiten und zu schauen, wie man die Arbeiten von ihnen in Produkte überführt, die man dann an Veranstaltungen verleihen kann.

Was wäre ein Beispiel für Produkte, die es jetzt schon gibt, die solche Kreative schaffen, die sich aber nicht monetarisieren lassen?

Julian Adenauer: Eine Arbeit, die wir heute auch hier zeigen, ist von Jean Cogan. Jean ist glaube ich Mathematiker, heute aber eher als freier Künstler unterwegs, war lange in Berlin, wohnt jetzt wieder in New York und beschäftigt sich viel mit Künstlicher Intelligenz und mit den kreativen Applikationen von Künstlicher Intelligenz. Wir zeigen eine Arbeit, bei der er ein neuronales Netzwerk trainiert hat mit Bildern von bekannten Künstlern. Das neuronale Netzwerk hat dadurch den Stil gelernt dieser Künstler und kann diesen Stil live auf andere Bilder anwenden. Andere Bilder heißt in dem Fall einen Livestream von einer Kamera, das heißt, wir haben eine Webcam an einem Rechner hängen und können eben das Kamerabild im Stil von bekannten Künstlern wie Roy Lichtenstein eben zeigen.

Das lässt sich nicht monetarisieren?

Julian Adenauer: Das lässt sich schon monetarisieren, auf jeden Fall. Aber die Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, denken nicht so in der Regel und denken nicht so viel darüber nach, wie sich das monetarisieren lässt, haben im Zweifelsfall auch nicht die richtigen Connections, die man braucht, und vielleicht auch gar nicht die Zeit, sich damit so viel zu beschäftigen. Das heißt, wir bieten eigentlich denen eine Plattform an, um ihre Arbeiten zu vertreiben. Ich denke gerade, das ändert sich auch im Laufe des Experiments so ein bisschen, wie wir selber darüber denken, wie das so funktioniert. Gerade stelle ich mir das vor wie ein Verlag im Endeffekt. Man hat einen Künstler, mit dem man zusammenarbeitet, es geht nicht um Textarbeit. Der Verlag macht ein Lektorat, guckt sich an, was der Künstler geschrieben hat oder gebaut hat und überlegt sich dann, wie könnte das zu der Zielgruppe passen, die wir haben? Dann gießen wir das quasi in ein Produkt und bieten unseren Kunden wiederum eine Plattform an, wo sie sich über diese Produkte informieren können und wir machen den Vertrieb, auch das Ausliefern und Installieren vor Ort, so dass es für die Künstler eine Win-Win-Situation ist. Sie können sich weiterhin mit ihren Experimenten beschäftigen und haben durch uns ein Einkommen generiert, was mit ihrer Kunst geschaffen werden kann.

Wie eine Agentur? Wie ein Agent für Schauspieler/innen.

Julian Adenauer: Genau. Wenn ich heute Agentur höre, denkt man eher an Werbeagenturen, das sind wir nicht, sondern sind eher Agenten für die Künstler, wobei wir uns im Moment darauf fokussieren, nicht unbedingt die Kunstwerke direkt zu vertreiben, sondern im Moment sind es eher spielerische, technische Installationen. Das sind nicht unbedingt tiefgründige Werke. Ich stelle es mir vor wie ein Verlag, vielleicht ein Musikverlag, der hat verschiedene Labels. Das eine ist eher ein poppiger Verlag, dann hat Universal auch 4Music, wo eher die Hip-Hop-Sachen drüber laufen, die eher ein bisschen kleiner sind. Ich glaube, jetzt sind wir eher in dem poppigen Teil, wo eher die Hauptrolle spielt, dass es eine spaßige Installation ist, wo man kurz interagiert, das Spaß macht, die Leute Fotos davon machen und die mitnehmen oder auf Social Media posten und so. Das ist eher poppiger, aber durchaus haben wir auch den Plan, später Installationen mit dem Künstlernamen darauf zu vertreiben, die durchaus auch ein bisschen anspruchsvoller sein können. Das hängt ein bisschen von der Zielgruppe ab. Für viele Events, für Messen oder was auch immer spielt der Künstlername gar keine Rolle. Die wollen keine komplizierten Werke haben, sondern die wollen eher eine Experience zeigen. In anderen Kontexten, weil Johannes eher aus dem wissenschaftlichen Bereich kommt, später auch Installationen zu machen, die Themenwelten erklären, zum Beispiel Klimawandel, das könnte man auch interaktiv schön darstellen. Dann wäre man in einem anderen Markt. Dann wäre man eher bei wissenschaftlichen Kongressen, wo man was zeigt. Da stünde wahrscheinlich eher ein Wissenschaftler und ein Künstler im Vordergrund. Das wäre wirklich mit einem Absender, der der Installation ein gewisses Standing und eine gewisse Seriosität geben. Das sind verschiedene Bereiche, die wir uns gerade vorstellen können. Das ist alles noch nicht ganz fix, sondern das ist auch Teil des Experiments, dass wir gerade die Gelegenheit haben herauszufinden, in welche Richtung es gehen kann und wo Märkte sind, und was gut funktionieren kann.

Johannes, das hört sich so an, als seid ihr schon relativ weit. Nun sagst du, Julian, soweit sind wir noch gar nicht, wir mäandern mit unseren Ideen und Gedanken noch ein bisschen herum. Ich habe mich gerade gefragt: Was genau kommt an technologischen Angeboten infrage? Und wer genau könnte die Zielgruppe dafür sein, an die ihr euch im Namen der Künstler wendet?

Johannes Richers: Das ist ein Prozess, der ein paar Wochen schon gelaufen ist. Die Idee von Refraiming Innovation ist die ergebnisoffene Förderung. Das ist das, was uns antreibt. Wir haben den Markt im Blick und auch die Nutzer, die potenziellen Kunden und die entsprechenden Partner. Das ist das, was unseren Blickwinkel auch neu macht. Dass es nicht nur um die Kreativleistung geht, sondern die Monetarisierung und die Produkte zu gießen. Wir haben später auf den Veranstaltungen ein breites Publikum im Kopf, natürlich viele Tech-affine Leute, aber Julian hat es schon erwähnt, dass natürlich auch die Inhaltsebene bedient werden könnte. Aber die Kunden später in unserem Modell ist natürlich eine Business-to-Business-Situation. Wir werden vor allem mit Agenturen zusammenarbeiten, die an Veranstaltungen arbeiten, da werden wir unsere Produkte verkaufen können. Aber der Nutzer selber ist dann ein Besucher, der quasi Teil dieser Erfahrung wird, um Technologien neu zu verstehen. Das ist, glaube ich, die Geschichte dahinter, dass in unserer digitalen Gesellschaft viele technologischen Fortschritte stattfinden, aber oft in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht ganz klar ist, was das eigentlich bedeutet. Wir sind überzeugt, dass in der Kreativbranche ein großes Potenzial steckt, verschiedene Inhalte auch zu erklären und vielleicht auch auf Risiken oder auf Chancen aufmerksam zu machen. Dafür muss es präsent sein. Kreative und die gesamte Kreativbranche haben dieses große Problem der Monetarisierung. Dabei wollen wir helfen und Technologien in den Alltag auch bringen.