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15.06.2021 -

„Man sollte seine Idee einfach ausprobieren“
Interview mit der Kuratorin und Kunstvermittlerin Saskia Riedel, Gründerin von arcs audio.

Einleitung

Saskia Riedel, Quelle: Michaela Reinhard

Saskia Riedel

© Michaela Reinhard

Anstatt ein Kunstwerk nur zu erklären, will Saskia Riedel eine Brücke zwischen den Besucherinnen und Besuchern und dem Kunstwerk schaffen. Die Kuratorin und Kunstvermittlerin produziert dazu besondere Audioguides für Museen und Galerien. Und das mit Erfolg. Zu ihren Auftraggebern gehören Museen und Galerien in Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Trotzdem sieht sich die Gründerin von arcs audio eher nicht als Unternehmerin. Wir haben sie gefragt, warum das so ist.

Frau Riedel, Sie bieten einen partizipativen Audioguide für Museen und Galerien an. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Riedel: Praktisch sieht es so aus, dass die Besucherinnen und Besucher einer Ausstellung mit ihren Smartphones einen QR-Code scannen, der neben einem Kunstwerk platziert ist. Damit öffnen sie den Audioguide und haben die Wahl zwischen drei Dialogen. Dabei handelt es sich um Gespräche, die ich jeweils mit einem Kind, einem Jugendlichen und einem Erwachsenen über das Kunstwerk geführt und aufgezeichnet habe.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Riedel: Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einer Ausstellung zum Beispiel vor einem Bild von Gerhard Richter. Dann wählen Sie einen Dialog in dem Audioguide aus und hören, was zum Beispiel der 67-jährige Otto oder die siebenjährige Charlotte oder auch die 27-jährige Johanna über das Bild denken. Jedes Gespräch beginnt mit einem Kommentar der Gesprächspartnerin oder des Gesprächspartners zu dem Kunstwerk und bietet insgesamt einen sehr persönlichen Zugang zu den ausgewählten Kunstwerken. Sie können sich natürlich auch alle drei Gespräche anhören. Die Audiostücke sind nur zwei bis drei Minuten lang.

Um den Audioguide zu produzieren, müssen Sie bereits vor der offiziellen Ausstellungeröffnung mit Besucherinnen und Besuchern sprechen, um die entsprechenden Aufnahmen zu machen?

Riedel: Ja, und hier sind wir auch genau an dem Punkt, wo der partizipative Charakter des Audioguides zum Tragen kommt. Ich sehe mir vor dem offiziellen Ausstellungsbeginn gemeinsam mit ausgewählten Besucherinnen und Besuchern einzelne Bilder an, unterhalte mich mit ihnen darüber und beantworte ihre Fragen. Diese Gespräche zeichne ich auf.

Und wie kommt der Kontakt zwischen Ihnen und den Besucherinnen und Besuchern zustande?

Riedel: Ich nutze mein Netzwerk und starte außerdem Aufrufe über die Social Media Kanäle des jeweiligen Museums oder der jeweiligen kommunalen Institutionen. Auch Bekannte, Freundinnen und Freunde von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Museums stehen öfters zur Verfügung. Manchmal schalten wir auch Zeitungsanzeigen. Bei der Auswahl achte ich natürlich darauf, dass eine große Bandbreite an Personen abgedeckt wird, nicht nur hinsichtlich der Altersgruppe, sondern auch hinsichtlich der Interessen, des Bildungsstands und Berufs usw.

Wie ist die Idee zu diesem besonderen Audioguide entstanden?

Riedel: Während meines Studiums. Ich habe zunächst Museologie, Wirtschaft und Kunstgeschichte und dann im anschließenden Masterstudiengang Kuratieren und Ausstellungswesen studiert. In dieser Zeit habe ich mich mit partizipativen Methoden der Kunstvermittlung beschäftigt und nach Lösungen gesucht, Kunst ohne Hemmschwellen zu vermitteln. Grundsätzlich wollte ich einfach einen anderen Zugang zu Kunst schaffen. Anstatt das Kunstwerk zu erklären, wollte ich eine Brücke zwischen den Besucherinnen, Besuchern und dem Kunstwerk schaffen. Daraus ist dann arcs audio entstanden.

Können Sie Museen und Galerien nennen, die Sie bereits mit Ihrem Audioguide begleitet haben?

Riedel: Mein erster Auftraggeber war das Museum LA8 in Baden-Baden. Der Kontakt zu weiteren Museen kam dann über Empfehlungen zustande. Dazu gehörten zum Beispiel die Stadtgalerie Saarbrücken oder auch das Kunstmuseum Celle. Letztes Jahr war ich außerdem Stipendiatin des deutsch-französischen Kreativlabors „Oh my Goethe“ des Goethe Instituts, wo ich einen Audioguide für das Musée des Beaux-Arts de Nancy für die ständige Ausstellung produziert habe. Zusammen mit Sophie Toulouse vom Musée des Beaux-Arts habe ich fünf Kunstwerke ausgewählt und dazu deutsch-französische sowie englische Gespräche mit Besucherinnen und Besuchern geführt und aufgezeichnet.

Zurzeit betreue ich ein sehr schönes und recht großes Projekt für das Casino Luxembourg, einem Forum für zeitgenössische Kunst, für das ich zusammen mit einer Grundschulklasse einen Audioguide für die Triennale erstelle. Außerdem habe ich noch ein zweites Standbein und führe Workshops mit Schulklassen durch, in denen wir Installationen aus Alltagsobjekten bauen, die sich an der Arbeit des Künstlers Benedetto Bufalino orientieren, der ebenfalls im Casino Luxembourg im Sommer ausstellen wird.

Wie akquirieren Sie ihre Aufträge? Gehen Sie auf Museen zu?

Riedel: Anfangs schon. In den Jahren 2017, 2018 habe ich viele Museen angeschrieben und Kaltakquise betrieben. Oft war es aber leider so, dass viele die Idee super fanden, aber kein Geld dafür zur Verfügung stand.

Das heißt, in der Anfangsphase konnten Sie noch nicht von Ihren Einnahmen leben?

Riedel: Am Anfang habe ich noch nebenher gejobbt. Ich war 2017 auch noch gar nicht davon überzeugt, dass ich Unternehmerin werde. Das hat sich irgendwie so entwickelt. Inzwischen habe ich ja auch viel mehr Routine als vor drei Jahren, so dass sich die Arbeit auch tatsächlich lohnt.

Verstehen Sie sich denn mittlerweile als Unternehmerin?

Riedel: Na, so ein bisschen. Ich glaube, ich würde mich eher als Unternehmerin sehen, wenn ich nicht mehr als Solo-Selbständige arbeiten würde. Ich arbeite zwar mit einem Programmierer zusammen, aber das ist ein externer Dienstleister. Abgesehen davon sehen sich im Kunstbereich ja viele nicht als Unternehmerin oder Unternehmer, auch wenn sie es tatsächlich sind.

Bei Ihren ersten Schritten in die Selbstständigkeit wurden Sie von Dock 11, einem Angebot des saarländischen Wirtschaftsministeriums, unterstützt. Eine gute Adresse für Kreative?

Riedel: Auf jeden Fall! Das Team von Dock 11 kennt die Kreativwirtschaftsszene hier im Saarland sehr gut und hat mich unter anderem auf spezifische und passende Ausschreibungen aufmerksam gemacht. Über Dock 11 habe ich beispielsweise von dem Stipendium des Goethe Instituts in Nancy erfahren. Ansonsten hätte ich das vermutlich gar nicht mitbekommen.

Sie bieten etwas ganz Neues an. War es nicht schwierig, dafür ein Honorar bzw. einen Preis festzulegen?

Riedel: Ich habe mich an dem Stundensatz von Kuratorinnen und Kuratoren sowie Kunstvermittlerinnen und -vermittlern orientiert, die direkt nach dem Masterstudium in den Beruf einsteigen. Dann habe ich geschätzt, wie viele Stunden ich brauche, um ein Gespräch aufzunehmen, zu schneiden, und alles komplett fertig zu machen. Je nachdem wie viele Kunstwerke besprochen werden sollen, kalkuliere ich dann die Kosten und erstelle ein Angebot.
Auch dabei, also beim Schreiben von Angeboten und der Festlegung meines Honorars, hat mich das Team von Dock 11 in der Anfangsphase sehr unterstützt.

Was ist denn für Sie als Selbstständige die größte Herausforderung?

Riedel: Zum jetzigen Zeitpunkt stehe ich vor der Herausforderung, meine Arbeit besser von meinem Privatleben zu trennen, weil ich manchmal viel zu viel arbeite. Hinzu kommt diese Ungewissheit, dass man nicht weiß, wie die Auftragslage im nächsten Jahr aussehen wird. Damit umzugehen, muss ich lernen.

Aber bisher sind Sie recht erfolgreich mit Ihrem Audioguide.

Riedel: Ja, ich bin zufrieden. Es ist sehr gut angelaufen. Durch die Arbeit mit dem Musée des Beaux Arts und dem Casino Luxembourg habe ich jetzt auch ein Standbein in Frankreich und Luxemburg, so dass sich dort auch in Zukunft sicher noch mehr ergeben wird.

Haben Sie noch ein, zwei Tipps, die Sie anderen angehenden Selbständigen in der Kultur- und Kreativbranche geben können?

Riedel: Ich finde, man sollte einfach seine Idee ausprobieren. In Deutschland gibt es ja die Kleinunternehmerregelung, so dass man bis zu einer bestimmten Umsatzgrenze keine Umsatzsteuer zahlen muss. Das macht vieles einfacher. Und für die Anmeldung braucht man sich als Freiberuflerin nur eine Steuernummer beim Finanzamt zu holen und kann dann loslegen. Was die soziale Absicherung betrifft, bin ich bei der Künstlersozialkasse versichert. Von daher ist erstmal alles im „grünen Bereich“.

Stand: Mai 2021