Uppenbrink: Das schon, aber uns stimmt optimistisch, dass die EU häufig eine Vorreiterrolle einnimmt. Es gibt den sogenannten Brussels Effekt, also die Übernahme von Rechtsnormen, Regulierungsmaßnahmen und Standards der Europäischen Union außerhalb des Binnenmarktes. Auf den hoffen wir.
Das setzt natürlich voraus, dass es auf EU-Ebene ein wirksames Regelwerk im Sinne des Kunstmarktes und der Urheberinnen und Urheber gibt. Immerhin, ein paar Lichtblicke sehen wir schon. Bei unseren vielen Gesprächen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben wir deutlich gemerkt, dass die meisten von der Bedeutung der Kultur- und Kreativbranche überzeugt sind, nicht nur in ökonomischer, sondern auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Es geht dabei nicht nur ums Urheberrecht. Es geht genauso um den Datenschutz, um Medienrechte und vieles mehr. Das wurde auch erkannt. Natürlich wünschen wir uns, dass die ganzen gesetzgeberischen Prozesse viel schneller laufen würden angesichts der Tatsache, dass es wirklich brennt! Viele Branchen verzeichnen schon jetzt horrende Einbrüche und die Prognosen lassen nichts Gutes ahnen …
Dr. Lingl: Laut unserer Studie sehen 53 Prozent der Befragten durch KI die Lebensgrundlage von bildenden Künstlerinnen und Künstler gefährdet. KI-Bild-Generatoren werden voraussichtlich bis 2028 die Einnahmen bildender Künstlerinnen und Künstler bis zu 10 Prozent schmälern. Wenn man weiß, dass die Einkommen von bildenden Künstlerinnen und Künstlern ohnehin sehr niedrig sind, also nah beim Existenzminimum liegen, bedeutet ein Minus von 10 Prozent natürlich sehr viel. Im Bereich der Fotografie rechnen die Befragten sogar mit 40 Prozent Mindereinnahmen durch generative KI.
Uppenbrink: Bei der KI-Verordnung haben wir es tatsächlich geschafft, als Kultur-, Kreativ- und Medienbranche den Aspekt der Transparenz mit einzuflechten. Bezuggenommen wird auch auf das europäische Urheberrecht, das damit ebenfalls für KI-generierte Werke gilt. Aktuell wird außerdem das sogenannte AI Office aufgebaut. Es soll die Entwicklung und den Einsatz vertrauenswürdiger KI sowie die internationale Zusammenarbeit fördern. Trotzdem gibt es natürlich noch viele Leerstellen. Großen Handlungsbedarf sehen wir zum Beispiel bei der Frage der Vergütung. Sehr kritisch sehen wir darüber hinaus den großen Einfluss der US-amerikanischen Tech Unternehmen auf die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in den Parlamenten – und auch auf die Mitarbeitenden des neuen AI Office. Das bedeutet, wir müssen mit unseren europäischen Partnerorganisationen noch enger zusammenarbeiten und entsprechenden Gegendruck erzeugen und viel Aufklärungsarbeit betreiben. Das probieren wir auch über unsere Nationalstaaten. Im Übrigen hat die Initiative Urheberrecht zu einigen grundsätzlichen Fragen ein Tandemgutachten an einen Rechts- und einen KI-Wissenschaftler in Auftrag gegeben. Das Ergebnis wird im September 2024 in Brüssel vorgestellt – ich kann jetzt schon versprechen, dass es viel Aufsehen erregen wird!