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06.09.2010 -

Coworking in der Community: Mehr Kreativität durch Synergieeffekte

Einleitung

Arbeitsorte für Kultur- und Kreativschaffende

Ein Großteil der Kreativen ist extrem flexibel und kann eigentlich überall arbeiten. Dafür benötigen die meisten nicht viel mehr als ihr Notebook, einen Schreibtisch, Handy, Internetanschluss, Drucker. Entscheidend bei der Auswahl des Arbeitsortes ist, rundum arbeitsfähig zu sein, Kosten zu sparen, möglichst schnell loslegen zu können. Und: das Arbeiten in der Community. Diese Anforderungen erfüllen - mehr oder weniger - eine ganze Reihe von Arbeitsorten. In aller Munde ist derzeit dabei Coworking. Es verspricht Kreativen über einen funktionierenden Arbeitsplatz und garantiertem Sozialkontakt hinaus etwas ganz Besonderes: seine kreativen Ideen weiterzuentwickeln.

Homeoffice, eigenes Büro, Bürogemeinschaft

Homeoffice

Die gängige Lösung der meisten kreativen freiberuflichen Schreibtischarbeiter ist, da zu arbeiten, wo sie wohnen: zu Hause. Vorteil: Das Home Office kostet nichts, da seine Kosten in der Wohnungsmiete enthalten sind. Man kann sich hier so einrichten und kleiden, wie man möchte. Zudem entfallen Aufwand und Kosten für den Weg zum Arbeitsort. Nachteil: Es fehlen Sozialkontakte. Und die Arbeit ist- gerade bei beengten Wohnverhältnissen- schon allein optisch immer präsent.

Eigenes Büro

Wer nicht zu Hause arbeiten will, kann sich ein eigenes Büro mieten. Vorteil: Arbeit und Freizeit sind räumlich getrennt. Nachteil: Es entstehen zusätzliche Kosten. Dazu kommt  die soziale Isolation, falls das Büro von niemandem sonst genutzt wird.

Bürogemeinschaft

Wer nicht zu Hause und nicht allein arbeiten will, kann sich einer Bürogemeinschaft anschließen oder gemeinsam mit anderen Selbständigen eine Bürogemeinschaft gründen. Vorteil: Man teilt sich die Kosten für Miete und Büroinfrastruktur, die in der Regel mehr zu bieten hat als bei Einzelkämpfern. Dazu kommt der soziale Kontakt zu Anderen während der Arbeit. Nachteil: der Verlust von Privatheit und ggf. der Druck, sich gemeinschaftlichen Entscheidungen anpassen zu müssen.

Gründer- oder Kreativzentren

Wer Wert auf ein professionelles Ambiente und nützliche Kontakte legt, für den kommt ein Büro in einem Gründer- oder Technologiezentrum in Frage. Vorteil: Die Büros sind in der Regel neu und modern, mit perfekter Büroinfrastruktur inklusive Sekretariatsservice. Zum Angebot gehören nicht selten nützliche Büroservice-Dienstleistungen sowie Beratungsangebote und Fortbildungsveranstaltungen. Die Miete ist in der Regel niedriger als auf dem freien Gewerbemietmarkt. Grund dafür: Vermieter sind meist lokale oder regionale Wirtschaftsförderungen oder -gesellschaften, die u.a. auf diese Weise für Unternehmer-Nachwuchs sorgen wollen. Nachteil: Das Angebot ist zeitlich befristet und gilt meist nur für Start-ups und Unternehmen, die nur wenige Jahre jung sind.

Den Gründer- oder Technologiezentren ähnlich sind Kreativzentren oder sogenannte Kreativquartiere. Es handelt sich nicht selten um vormals leer stehende Gewerbehöfe oder ehemalige Industriegebäude, die von Stadtverwaltungen günstig zur Verfügung gestellt und von Kreativen oftmals in Eigenleistung renoviert und ausgestattet werden: zu Produktions- und Experimentierflächen, Ausstellungsräumen usw. Hier finden Kreative - meist als Dauermieter - zusammen, um im engen Kontakt miteinander zu arbeiten und voneinander zu profitieren. Beispiele: Das Kölner creative centre 4711, das im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Duftwasserherstellers 4711 entstanden ist und in dem rund 70 Firmen aus der Musikszene ihre neue Heimat gefunden haben.

Coworking: Spaces und Angebote

Coworking: Spaces

Coworking Spaces bieten Arbeitsplätze mit Internetzugang einschließlich gängiger Büroinfrastruktur zur Miete an: tage-, monatsweise, dauerhaft. Sie schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Es gibt mittlerweile mehrere in fast jeder größeren deutschen Stadt. Mit Sicherheit ein Grund dafür ist die hohe Zahl der Freiberufler, die seit dem Jahr 2000 von rund 700.000 auf über eine Million gestiegen ist.

Vorteile von Coworking Spaces: Die Arbeit kann sofort starten, ohne lästige Vorarbeiten und mit überschaubaren Kosten. Mieten ist (z.B. für Durchreisende) sogar auch stundenweise möglich, für Vielarbeiter gibt es Rabatte. Dazu kommt, dass Coworker auf diese Weise von heute auf Morgen eine professionelle Büroadresse mit Internetauftritt und E-Mail-Adresse vorweisen können.

Angebote

Dabei können die Arbeitsumgebungen in Coworking Spaces ganz unterschiedlich aussehen: von der ehemaligen Fabrikhalle mit Basisausstattung (Schreibtisch, WLAN, gemeinsame Kaffeemaschine) bis hin zu stilvollen Büroräumen in verschiedenen Größen und über mehrere Etagen, zu denen Café, Kantine, Konferenzräume und Weiterbildungsprogramme gehören. Christoph Fahle, Coworking-Pionier und Mit-Gründer von betahaus in Berlin: "Die Unterschiede sind enorm. Es ist sehr ähnlich wie mit einem Restaurant: Es kommt darauf an, wer der Wirt ist, was auf der Speisekarte steht, welches Klientel dorthin kommt, wo es liegt, wie groß es ist, wie die Einrichtung aussieht usw. Es gibt Spaces, die sind 1.000 Quadratmeter groß. Andere umfassen gerade mal 50 Quadratmeter. Das ist wie ein Großraumrestaurant im Vergleich zu einer Bar an der Ecke. In der Bar gibt es nur Häppchen, im Restaurant dagegen ganze Menüs."

Coworking: Besondere Beispiele für Kreative

Das Berliner Studio 70 hat über das übliche Mietbüro hinaus für eher handwerklich orientierte Kreative eine Werkstatt zur Holz- und Metallbearbeitung im Angebot. Hier entstehen derzeit beispielsweise die Bauten für die Videoinstallation eines Medienkünstlers.

Teil von betahaus ist die "Open Design City", ein sogenanntes Fablab: eine Werkstatt speziell für Designer, Architekten oder Ingenieure, in der sich ein Laser-Cutter, ein 3-D-Drucker und eine CNC-Fräse befinden. "Vom Entwurf zum Prototypen dauert es hier meistens nur wenige Stunden", sagt Christopher Doering. Er ist Produktdesigner und arbeitet seit vier Monaten im betahaus. "Wir können hier Objekte dreidimensional drucken oder computergesteuert Formen aus Styropor ausschneiden." Rapid Prototoyping nennt man das. Jeder einzelne Coworker könnte sich die Geräte dafür allein kaum leisten. Hier gehören sie zur Ausstattung.

Die Nachrichtenmeisterei in Kassel ist ein selbstverwalteter Zusammenschluss von Kreativschaffenden in einem ehemaligen Industriekomplex: als Sitz für Start-ups, mit Studios für Photo, Ton, Video- und Multimediastudio, Holz- und Metallwerkstatt sowie Bandproberäumen. Bisher funktionierte das Projekt als "klassisches" Kreativquartier. Ein Büro-Coworking-Space als ergänzendes Angebot ist  im Aufbau.

Es sei nun keinesfalls so, ergänzt Sebastian Sooth, Coworking-Experte und Gründer der Coworking-Plattform hallenprojekt.de, dass sich potenzielle kreative Nutzerinnen und Nutzer mit den vorhandenen (oder eben nicht vorhandenen Angeboten) der Coworking Spaces zufrieden geben müssten. "Es ist genau umgekehrt: Die schnelle Entwicklung der Coworking-Bewegung und die Angebote, die dabei entstehen, richten sich danach, was die Kreativen für ihre Arbeit benötigen. Das Angebot wächst mit der Nachfrage."

Coworking: Soziale Kontakte

Dabei geht es den meisten Coworkern nicht allein um die moderne und effektive Büro- oder Werkstatt-Hardware. Mindestens genauso wichtig ist der Sozialkontakt bei der Arbeit. Beispielsweise für Matthias Pflügner, der heute im Coworking Space Studie 70 in Berlin seinen Schreibtisch hat und nur noch ungern an die einsame Arbeit im stillen Kämmerlein zurück denkt. "Man verarmt sozial total. Kein Austausch mit Kollegen, kein Plausch in der Teeküche, keine gemeinsame Mittagspause. Das fehlt dort."

So hat Coworking - über die Freude am Nicht-Alleinsein hinaus - gleich mehrere heilsame Wirkungen, hat Jens Hansen Unternehmensberater und Coworking-Experte festgestellt. "Coworking führt bei den meisten Nutzern erst einmal dazu, konzentrierter zu arbeiten. Wer kennt das nicht: Wenn man zu Hause vor dem Computer sitzt, schiebt man die Arbeit gern schon mal vor sich her, indem man erst einmal das Geschirr abspült oder die Wohnung putzt. Hier im Coworking Space geht das nicht. Hier geht man morgens hin und hat das Gefühl: Jetzt ist Arbeitszeit. Und erst, wenn ich wieder gehe, ist Freizeit."

Die geregelten Öffnungszeiten der meisten Working Spaces beispielsweise von 9 bis 19 Uhr hätten darüber hinaus eine heilsame Wirkung auf die Work-Life-Balance der Coworker. "Die befindet sich nämlich bei vielen viel arbeitenden Freiberuflern in einer bedenklichen Schieflage."

Coworking: Synergieeffekte

Besonders wichtig sind die Synergieeffekte, die sich aus der gemeinsamen Arbeit ergeben können. Jens Hansen. "Beim Coworking geht es vor allem auch um kreativen Austausch. Dieser Austausch könnte theoretisch natürlich auch in einem WLAN-Café stattfinden. Aber da kennt man die Leute nicht." Dafür, dass man sich kennen lernt und ein solcher Austausch tatsächlich stattfindet, sorgen in der Regel die Betreiber von Coworking Spaces. Etwa durch After-Work-Partys. Oder durch spezielle Veranstaltungen, bei denen sich die Space-Nutzer vorstellen und erzählen, woran sie arbeiten, bei der sie Ideen entwickeln, sich gegenseitig inspirieren und auch ganz konkrete Arbeits-Kontakte knüpfen. So kann man in seiner Coworking-Community Kooperationspartner suchen und finden: Darüber hinaus lassen sich hier Aufträge akquirieren oder vergeben. Und es können durch die Community-Kontakte schließlich aus Einzelkämpfern kleine Unternehmen werden, erinnert sich Alexander Visser. Er ist Herausgeber von Berlin&I, einem City Guide für Berlin-Besucher."Ich habe im betahaus als Journalist, als Freelancer, angefangen. Die Idee für Berlin&I hatte ich da schon im Kopf. Mir fehlten aber wichtige Kompetenzen, um sie in die Tat umzusetzen. Hier habe ich Leute gefunden, die das konnten, was mir fehlte. Zusammen haben wir die Firma dann Stück für Stück aufgebaut."Das Start-up wurde sogar ausgezeichnet: Beim Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg erreichte Berlin&I den zweiten Platz.

Dabei profitieren nicht unbedingt nur einige aus der Community von den guten Kontakten untereinander. Manchmal sogar die komplette Coworker-Mannschaft, wie Sebastian Sooth berichtet. "Beispielsweise im CO.UP in Berlin-Kreuzberg. Das ist ein Coworking Space für Programmierer. Früher waren das alles Einzelkämpfer. Heute ist hier so viel Sachverstand versammelt, dass die Community als Ganzes Aufträge bekommt, von denen einer allein nicht mal zu träumen wagt. Die machen zwar längst nicht alles zusammen. Aber immer öfter."

Coworking: Arbeitsbedingungen

Die Arbeit mit vielen (zunächst) unbekannten Menschen ist nicht unbedingt jedermanns Sache. Nachteile: Wer Angst davor hat, Ideen oder Kunden zu verlieren, kann von Coworking nicht profitieren. Jens Hansen:"Offenheit und Vertrauen  sind dafür Voraussetzung. Geben und Nehmen müssen dabei allerdings im Gleichgewicht sein." Gewöhnungsbedürftig sind für manchen zudem die Arbeitsbedingungen im Großraumbüro."Manchmal ist es ziemlich laut", sagt Matthias Pflügner. "Vor allem dann, wenn vielleicht sogar mehrere Viel- und Laut-Telefonierer im selben Raum sitzen. Wenn man dann wirklich Ruhe haben will, kann man bei solchen Anlässen allerdings in der Regel in Räume wechseln, die für Stillarbeiten gedacht sind und die man für ein paar Stunden nutzen kann." Wobei es für diejenigen, die zuweilen besondere Ruhe brauchen, noch eine weitere Möglichkeit gebe, so Christoph Fahle: "Man muss ja nicht jeden Tag hier arbeiten. Ich kann ja die Stillarbeit zu Hause machen, und wenn ich Anschluss haben will, gehe ich in meinen Coworking Space."

Zusammenarbeit und Rechtsform

Jede Art der Zusammenarbeit - in Coworking Spaces oder an anderen Arbeitsorten - verlangt nach einer Rechtsform. Lassen Sie sich beraten, welche Rechtsform für welches Vorhaben die richtige ist. Wichtig ist zu wissen, dass - wenn mindestens zwei Personen einen gemeinsamen geschäftlichen Zweck verfolgen - automatisch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entsteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Gründerinnen oder Gründer gemeinsam ihren Businessplan schreiben, eine Bürogemeinschaft gründen  oder zusammen Werbung betreiben. Dieser Automatismus kann vor allem gegenüber Außenstehenden eine wichtige Rolle spielen, denn als Gesellschafter einer GbR übernehmen sie bestimmte Rechte und Pflichten, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Deshalb ist die GbR auch unter dem Namen BGB-Gesellschaft bekannt. So haftet jeder Gesellschafter zum Beispiel unbeschränkt mit seinem persönlichen Vermögen für Schulden (z.B. für Druckkosten von Werbeflyern) der gesamten GbR unabhängig davon, ob er selbst die Schulden verursacht hat oder nicht.

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