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11.09.2019 -

Eine Art von Mission Interview mit Thorsten Jahnke vom social impact lab Berlin zu den Gemeinsamkeiten von Kreativwirtschaft und Social Entrepreneurship.

Einleitung

Die acht social impact labs der Agentur Social Impact beraten und unterstützen Social Start-ups. Social Start-ups wollen mit ihren Ideen gesellschaftliche Herausforderungen unternehmerisch lösen. Kultur- und Kreativunternehmen schaffen und vermarkten Kreativ-Schöpfungen.

Thorsten Jahnke hat die Erfahrung gemacht, dass die „Sozialen“ und die „Kreativen“ einige wichtige Übereinstimmungen aufweisen.

Herr Jahnke, Sie unterstützen Start-ups bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen für Sozialunternehmen. Was haben Kultur- und Kreativwirtschaft und Social Entrepreurship gemeinsam?

Thorsten Jahnke:
Es ist ja so: Wann wird ein Unternehmen der Kreativwirtschaft zu einem Social Start-up? Nämlich dann, wenn neben der kreativen Inspiration der Fokus dazu kommt, mit der kreativen Leistung auch ein soziales Ziel zu erreichen. So etwas sehen wir zum Beispiel relativ häufig im Theaterbereich. Hier in Berlin beispielsweise gibt es das RambaZamba Theater, ein inklusives Theater, in dem Schauspieler mit und ohne Behinderung professionell Theater spielen. Oder es gibt die Projektwerkstatt von Sandra Schürmann. Die setzt Theater- und Bühnenarbeit ein, um mit arbeitslosen Jugendlichen eine Art Biografiearbeit zu machen, sie so stark zu machen, dass sie ihr Leben selber in die Hand zu nehmen können. Ich war letzte Woche beim Kick-off des Start-ups sPeranto. Die machen Street Dance in sozialen Brennpunkten, um Jugendliche irgendwie aus ihren Armutskreisläufen rauszuziehen. Dabei geht es einmal um körperliche Fitness und motorische Fähigkeiten, aber auch um die persönliche Entwicklung des Einzelnen, die Fähigkeit, in einem Team zusammen zu arbeiten, um Werte wie Respekt, Zusammenhalt und Durchhaltevermögen. Also: Wenn man das verbindet, Kultur mit der sozialen Inspiration, dann haben wir erfolgreiche Kombinationen von Kreativ- und Sozialwirtschaft. Und aus der Sicht der Sozialwirtschaft bietet sich diese Kombination geradezu an, weil die Kultur- und Kreativwirtschaft immer auch eine soziale Tendenz hat: Ohne Zuschauer, Zuhörer, Leser, Mitmacher geht es nicht. Die Kultur und Kulturarbeit wird zum Medium der sozialen Problemlösungen.

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Könnte man sagen, dass Kreativschaffende besonders gute Voraussetzungen für Social Entrepreneurship mitbringen?

Thorsten Jahnke:
Bei der Entwicklung von sozialen Geschäftsmodellen stehen an erster Stelle die Fragen: Was genau ist das Problem, das hinter gesellschaftlichen Phänomenen wie Jugendarbeitslosigkeit oder Umweltbeeinträchtigungen steckt? Und dann: Welches ist die Ursache für das gesellschaftliche Problem? Darauf muss die Lösung ausgerichtet sein. Die Kreativwirtschaft hat uns da mit strategischen Prozessen wie beispielsweise dem Design Thinking sehr inspiriert. Das bedeutet für Kreativschaffende klassischerweise, bei der Entwicklung oder Verbesserung von Produkten oder Prozessen nutzerzentriert zu arbeiten. Also nicht einfach ins Blaue neue Lösungen zu entwickeln, sondern sich erst einmal intensiv mit dem Problem von Nutzern auseinanderzusetzen, um dann zu überlegen, welche Lösung wäre denn für ein Problem geeignet. Das ist in der Sozialwirtschaft ähnlich. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass man mit dieser Lösung auch Geld verdienen kann. Hier ein Geschäftsmodell zu finden, das sozial wirksam ist und außerdem unternehmerisch funktioniert, das ist die große Herausforderung. Aber das ist ja auch bei Kreativen sehr oft das Problem: die Finanzierung, die nicht selten über Partner, über Dritte erfolgen muss. Es gibt also da schon eine geistige Verwandtschaft. Das erleichtert natürlich dann auch, sozial zu denken oder soziale Themen auch an den Markt zu bringen.

Die Finanzierung ist ja eher ein technisches Merkmal. Gibt es auch Gemeinsamkeiten, die tiefer liegen, in der Sache sozusagen?

Thorsten Jahnke:
Klar ist, dass sowohl Kulturtreibende als auch Social Entrepreneurs ganz stark intrinsisch, also aus ihrem Inneren heraus, motiviert sind. Das kann eine Art von Mission sein: bei den Kreativen so etwas wie die künstlerische Aussage, bei den Social Entrepreneurs vielleicht die Daseinsfürsorge für bestimmte gesellschaftlichen Gruppen. Das heißt, die Sachen, die sie machen, machen sie nicht in erster Linie deswegen, um Geld zu verdienen, sondern letztendlich, um sich selbst zu verwirklichen. Auch Social Entrepreneurs sind Menschen, die sich in irgendeiner Form selbst verwirklichen wollen, die ihre Werte umsetzen wollen. Kulturtreibende und Künstler sind ja in der Regel auch Menschen, die einfach für sich eine Vision im Kopf haben und zuerst mal überhaupt keine Lust haben, darüber nachzudenken, wie diese Vision am Markt umgesetzt wird, wie jetzt klassischerweise das passende Geschäftsmodell dazu aussehen könnte. Das sind alles dann nachrangige Fragen.

Sie sagen: Kulturtreibende und Künstler haben eine Vision und zuerst mal überhaupt keine Lust haben, darüber nachzudenken, wie diese Vision am Markt umgesetzt wird. Müssen sie das nicht aber, weil das überlebenswichtige Fragen für die Visionen sind?

Thorsten Jahnke:
Ja klar. Es gibt sowohl in der Kulturwirtschaft als auch in der Szene der Social Entrepreneurs eigentlich immer zwei Lager. In meiner Jugend hätte man gesagt: die Realos und die Fundis, wie bei den Grünen damals. Da gibt es die einen, die sagen: Letztendlich ist es egal, ob wir mit unserer Idee Geld verdienen oder nicht. Wir wollen das einfach machen. Das ist für die Gesellschaft wichtig. Wir finden Wege. Und dann gibt es auch die anderen, die vielleicht etwas realistischer sind, die sagen: Na ja, es bringt eigentlich auch nur was, wenn ich in irgendeiner Weise auch andere Menschen erreiche. Wenn mir keiner zuhört, wenn keiner sieht, was ich mache, dann bringt das vielleicht auch nicht so viel. Das heißt, um Zugänge in der Gesellschaft zu haben, um Menschen von meinem Buch, von meinem Theaterstück, von meinem Gesang oder meiner wie auch immer Performance oder von meiner Weltverbesserungsidee zu begeistern, muss ich Partner einbinden. Und dafür brauche ich bestimmte Ressourcen. Das heißt nicht, dass man gleich ins Investment-Geschäftsmodell-System wechseln muss. Aber man muss sich schon Gedanken darüber machen, wie man Geld für Vertriebsstrukturen einsammeln kann, das ist schon hilfreich.

Sich selbst nicht als Unternehmerin bzw. als Unternehmer zu verstehen: Das ist für viele angehende Akteure in der Kultur- und Kreativwirtschaft ein ungelöstes Problem. 

Thorsten Jahnke:
Das Design Thinking habe ich ja schon erwähnt. Außerdem greift bei Social Entrepreneurs immer mehr um sich, Workshop-Formate neu zu denken und von der Kreativwirtschaft zu lernen. Da geht es beispielsweise um das Format der Escape Rooms, das im Gaming-Bereich genutzt wird. Diese Methode wird heute auch dazu verwendet, um zu sozialen Innovation zu kommen. Escape Rooms sind Räume, wirklich existierende Räume, wo Menschen mit einer Aufgabenstellung reingehen. Sie haben in der Regel ungefähr eine Stunde Zeit und müssen Probleme lösen. Wenn sie die Probleme gelöst haben, dann kommen sie raus. Die Probleme sind idealerweise so gestellt, dass sie die Probleme gemeinsam als Team lösen müssen. Einer allein kann es nicht lösen. Man muss interagieren, etwas machen, in die Hand nehmen, tun, verändern, Gegenstände in die Hand nehmen, angucken, bewegen. Das ist im Moment weltweit sehr erfolgreich, das Modell der Escape Rooms. Es hat viele Parallelen zum Bereich Innovationsentwicklung, weil es ja auch hier darum geht, erst mal zu gucken, wie ist die Aufgabenstellung, wie ist die ursprüngliche Situation, die Herausforderung sozusagen. Welche Rätsel muss ich lösen?

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